Heute ist er wieder, der für mich seltsamste Gedenktag von allen: Der Trans Day of Visibility.
Damit ihr mich nicht falsch versteht, ich finde ihn gut und wichtig und richtig. Aber er ist auch komisch, denn es gibt so viele Transgender, denen wohl nichts wichtiger ist, als nicht Trans* zu sein oder zumindest nicht als Transperson erkannt zu werden. Wir sind weitgehend unsichtbar in der Gesellschaft. Weil wir unsichtbar sein wollen und weil wir immer noch aus guten Gründen möglichst unsichtbar sein müssen
Deshalb kommt dieser Gedenktag für mich in gewisser Weise aus der Zukunft. Aus einer Zeit, in der es okay ist Trans* zu sein und als Transgender erkennbar zu sein.
Ich lebe immer noch in einer Zeit, in der viele Transpersonen nicht mit anderen in einen Topf geworfen werden wollen, die nicht genau auf die gleiche Weise Trans sind, wie sie selbst.
Ich lebe in einer Zeit, in der Trans-Sein für viele bloß eine üble Zwischenphase vor dem Erreichen des „richtigen“ Genders ist, in dem man dann von niemandem mehr angezweifelt wird.
Ich lebe in einer Zeit, in der viele Transpersonen unter der Überzeugung leiden, sie hätten einen „falschen Körper“ und damit ihr Trans-Sein zu einer Art Behinderung machen.
Ich lebe in einer Zeit, in der Transgender immer noch Diskriminierungen erfahren, wenn sie als Transpersonen erkennbar sind.
Sichtbarkeit bedeutet für mich, dass Transgender zu sich selbst stehen und dass sie das auch können, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Dass wir als Trans* erkennbar sein können und die Menschen uns so akzeptieren. Dass wir uns als legitimen Teil der Vielfalt sehen und nicht dafür schämen, welchen Körper wir haben und wie wir unserer Identität Ausdruck verleihen.
Das ist bei weitem noch nicht für alle von uns erlebte und gelebte Realität. Aber damit es dazu kommt, braucht es diesen Tag.
Hallo Jula,
Eigentlich würde ich gerne eine Dialektik schreiben, über das Bedürfnis unsichtbar zu sein, ein normales spießiges Durchschnittsleben zu führen, und das bedürfnis die Welt zu ändern, und deshalb auzufallen und laut zu werden. Ich habe von AllOut eine mail erhalten, geschrieben von Tessa Ganserer, die sich beschwert, sie müsse sich bei der Post outen wenn sie ein paket abholt, weil sie mit dem begutachtungsverfahren nicht einverstanden ist, und deshalb auf ewig mit dem falschen Pass geschlagen sei. Dann hab ich eingesehen, ihrs und meins ist eine deutsche Komfortperspekitive. Die Perspektive einer komfortabel lebenden Frau im Hier und Jetzt der Bundesrepublik Deutschlend, die maximal Angst haben muss dass in der Tiefgarage das Licht zu früh ausgeht.
Das Thema kann nicht gegenstand einer wohl durchdachten Dialektit sein. Sondern einer schwarzen bösen Polemik. Denn der Tag kommt nicht aus der Zukunft, er ist voll aus der Gegenwart.
Der Transgender Day of Visibilty meint die ungefähr 400 Männer und Frauen die im Jahr bestialisch getötet werden, weil sie ein anderes Geschlecht haben als das sichtbare, meint die hohe Dunkelziffer an Menschen die aus Jobs und Gesundheitssystemen gemobbt werden, und meint die pakistanischen und indischen Hijras die sich prostituieren, weil sie keine Jobs kriegen, meint die, die hier in D auf den Strich gehen. Diejenigen die keine medizinische Versorgung kriegen, weil sie in kein Raster passen, diejenigen die sich aufgrund falscher HRT umbringen, und die, die den Hass nicht vertragen. Und meint auch die Frauen in Thailand, die als WXvorlage europäischer Freier ihr Geld verdienen, oder sich bei deutschen ich-bin-wie-Du-Vogelscheuchen durchschnorren müssen. Oder die Frauen die in deutschen LGBT-Szenen die bunten Schmetterlinge mimen dürfen, aber bei den TERF-Lesben rausfliegen. Und die die sich an Stecher ranschmeissen, um eine Illusion von Akzeptanz abzukriegen.
Du hast so recht!