Deadnaming und Misgendering sind nicht nur peinlich. Sie sind für Betroffene verletzend. Das wissen auch diejenigen, die uns damit angreifen und verwenden deshalb diese Waffen gegen uns. Egal, ob im persönlichen Gespräch, im öffentlichen Raum oder in sozialen Medien. Häufig werden trans* Personen damit herabgewürdigt, dass man ihre alten Namen offenlegt oder bewusst mit dem falschen Gender zu oder von ihnen spricht.
Wie sind unsere Chancen dagegen strafrechtlich vorzugehen? Schlecht!
Regelung im TSG
Rechtlicher Ausgangspunkt der Überlegungen ist das sog.Offenbarungsverbot. Es ist im Transsexuellengesetz geregelt.
Ҥ 5 Abs. 1 TSG
Ist die Entscheidung, durch welche die Vornamen des Antragstellers geändert werden, rechtskräftig, so dürfen die zur Zeit der Entscheidung geführten Vornamen ohne Zustimmung des Antragstellers nicht offenbart oder ausgeforscht werden.”
Es handelt sich hier um ein Verbot, ehemalige Namen nicht ohne gewichtige Gründe öffentlich zu machen. So weit so sinnvoll. Aber wer ist dadurch gebunden?
Kann ich mich darauf stützen, wenn mich andere Privatpersonen outen oder meine alten Namen bekannt machen? Nein!
So sieht es zumindest die Staatsanwaltschaft Tübingen.
Pfuderer versus Palmer
Was war passiert?
Auf Facebook outete der grüne Oberbürgermeister Boris Palmer von Tübingen seine Parteifreundin Maike Pfuderer als trans, misgenderte sie und verwendete ihren Deadname.
Frau Pfuderer erstattete bei der Staatsanwaltschaft Tübingen Strafanzeige und Strafantrag wegen Beleidigung. Sie argumentierte, Palmer habe mit ihrem Deadname in vermutlich herabwürdigender Absicht gegen das Offenbarungsverbot im Transsexuellengesetz verstoßen.
Die Staatsanwaltschaft Tübingen stellte das Verfahren gem. § 152 Abs. 2 StPO ein (14 Js 16672/20). Das bedeutet, sie konnte keine strafbare Handlung erkennen. Warum nicht? Weil Adressat des § 5 TSG nur Behörden und Gerichte sind und die Verpflichtung auch nicht strafbewehrt ist.
Das Erwähnen des alten Namens an sich und die Verwendung des Pronomens “er” (Misgendering) stellen für die Staatsanwaltschaft Tübingen keine für den Tatbestand der Beleidigung ausreichende eine Missachtung, Nichtachtung oder Geringschätzung der Betroffenen dar.
StA Tübingen? Na und?
Nun ist eine Einstellungsentscheidung einer Staatsanwaltschaft nicht das Evangelium. Aber in der Sache haben Sie leider nicht Unrecht.
Es ist zwar ärgerlich, aber die Tatsache, dass sich der § 5 TSG an staatliche Organe richtet und keine Schutzwirkung zwischen Privaten entfaltet, kann man nicht wegkriegen. Es hat schon seine Gründe, dass diverse Interessenvertretungen schon seit Jahren Verbesserungen an dieser Stelle fordern. Weil es nämlich keinen wirkungsvollen strafrechtlichen Schutz im Privatbereich gibt.
Ändert sich das durch § 192a StGB?
Wohl nicht. Das Gesetz ist aktuell ( Juli 2021) noch im Verfahren. Aber die aktuelle Formulierung lässt aus verschiedenen Gründen Zweifeln.
„§ 192a Verhetzende Beleidigung
Wer einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, die Menschenwürde anderer dadurch anzugreifen, dass er eine durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmte Gruppe oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, an eine andere Person, die zu einer der vorbezeichneten Gruppen gehört, gelangen lässt, ohne von dieser Person hierzu aufgefordert zu sein, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Zunächst fällt auf, dass im Text zwar die “sexuelle Orientierung erwähnt wird, „geschlechtliche Identität“ und „Geschlecht“ jedoch nicht. Schon diese Nichterwähnung deutet darauf hin, dass diese Norm uns wohl nicht helfen wird. Jedenfalls nicht in Bezug auf Deadnaming und Misgendering.
Aber auch systematisch passt es nicht. In der Begründung wird klar gemacht, was schon der Titel der Norm vermuten lässt. Sie tritt in eine Lücke zwischen Beleidigung und Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr 1 c StGB) und soll Äußerungen auch im Dialog zwischen zwei Personen strafbar machen, die öffentlich geäußert bereits jetzt unter den Tatbestand der Volksverhetzung fallen.
Trotz der richtigen Hinweise der DGTI, die klarstellt, dass es beim Deadnaming und Misgendering eine ernste Problematik für trans* und inter Personen gibt, wird sich da im Gesetzentwurf wohl nichts tun. Die Norm hat eine eindeutig andere Zielrichtung, wie sich auch aus ihrer Einordnung in das “Feindeslisten”-Thema ergibt.
Was bleibt?
Das was immer bleibt: die Hoffnung, dass es künftig besser wird.
Querverbindungen
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© Jula Böge 2021