Schutz der Menschenrechte von Transgendern: Eine kurze Anleitung zur rechtlichen Anerkennung von Gender
Originaldokument: A Short guide to legal gender recognition, Strasbourg 9 December 2015
Rechtliche Anerkennung von Gender
Alltägliche Aufgaben wie das Verschicken eines Paketes, das Einrichten eines Bankkontos, oder auch nur das Benutzen eines personalisierten Tickets für den ordentlichen Nahverkehr können eine tägliche Ursache von Schwierigkeiten sein, wenn die Genderidentität[1] einer Person nicht zu dem Gender passt, das ihr in ordentlichen Dokumenten wie einem Personalausweis, einem Reisepass oder einer Geburtsurkunde zugewiesen wird. Ohne offizielle Dokumente, die zur Genderidentität passen, können Transgender[2] schnell in den Verdacht getragen, gefälschte Dokumente zu benutzen. Außerdem können sie gezwungen sein, ihre Transidentität gegen ihren Willen offenbaren zu müssen. Das macht sie anfällig für Verletzungen ihrer Privatsphäre ebenso wie für Diskriminierungen und Gewalt. Das hat zur Folge, dass Transgender von einer vollständigen Teilhabe und Beteiligung an der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Das betrifft auch den Arbeitsmarkt. Falls sie z.B. Zeugnisse oder Arbeitsbescheinigungen haben, die nicht ihrem Gender entsprechen, ist das eine häufige Ursache für Arbeitslosigkeit von Transgendern.
Staaten können die Genderidentität eine Transgender Person rechtlich anerkennen indem sie ihr erlauben, den Namen und das Gender in offiziellen Papieren und Registern zu ändern. Dieser Prozess wird rechtliche Anerkennung des Gender genannt. Von einem rechtlichen Standpunkt aus gesehen, erlaubt das Transgendern in Übereinstimmung mit ihrer Genderidentität zu leben.
Europäische Standards für die rechtliche Anerkennung von Gender
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (der Gerichtshof) hat Urteile im Hinblick auf die Anerkennung der Genderidentität einer Transgender Person erlassen. Der Gerichtshof hat entschieden, dass das Unterlassen der Änderung einer Geburtsurkunde bei einer Person, die geschlechtsangleichende Operationen durchlaufen hat, und die Weigerung das neue Gender anzuerkennen, eine Verletzung von Artikel 8 (Recht auf Privatsphäre) der Europäischen Menschenrechtskonvention (ECHR) ist. Der Gerichtshof befand im Fall B. gegen Frankreich und insbesondere im Fall Christine Goodwin gegen Vereinigtes Königreich, dass die Weigerung eine komplette geschlechtliche Anpassung rechtlich anzuerkennen eine Verletzung von Artikel 8[3]darstellt.
In den verschiedenen Mitgliedstaaten des Europarates ist die Situation bezüglich der rechtlichen Anerkennung von Gender sehr unterschiedlich. Die meisten Länder haben keine Verfahren für die rechtliche Anerkennung von Gender. In einem Themenpapier zu Genderidentität hat der frühere Kommissar für Menschenrechte des Europarates, Thomas Hammarberg[4] dargestellt, dass “die Verfahren für die Anerkennung von Gender in den meisten Fällen eine Kombination von komplizierten rechtlichen und medizinischen Voraussetzungen sind, in denen die Grenze zuerkannten den beiden häufig verletzt wird. “[5]
2010 hat der Europarat die Empfehlung CM/Rec(2010)5 des Komitees der Minister an die Mitgliedstaaten über Maßnahmen für die Bekämpfung von Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung und der Genderidentität übernommen.[6] Paragraphen 20 bis 22 im Anhang der Empfehlung geben Hilfestellung wie die Mitgliedstaaten den Schutz der Privatsphäre von Transgendern sicherstellen können.
20. Frühere Erfordernisse, inklusive Änderungen des Körpers für die rechtliche Anerkennung einer änderung des Gender sollten regelmäßig über prüft werden, um missbräuchliche Erfordernisse zu beseitigen.
21. Mitgliedstaaten sollten angemessene Maßnahmen ergreifen, um die volle rechtliche Anerkennung des Genderwechsels einer Person in allen Bereichen des Lebens zu ermöglichen. Insbesondere durch Einrichtung der Möglichkeit den Namen und das Gender in offiziellen Dokumenten in einem schnellen, transparenten und zugänglichen Verfahren ändern zu können. Die Mitgliedstaaten sollten ebenso, wo erforderlich, die korrespondierende Anerkennung durch nicht staatliche Akteure im Hinblick auf wichtige Dokumente, wie Zeugnisse sicherstellen.
22. Die Mitgliedstaaten sollten alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen um sicherzustellen, dass nach Abschluss der Genderänderung und der rechtlichen Anerkennung gemäß den Paragraphen 20 und 21, dass Transgendern das Recht garantiert wird, Personen des nun anderen Gender heiraten zu können.
2012 fragte das Steuerungs-Komitee für Menschenrechte (CDDH) des Europarates in seinem “Questionnaire on the implementation of Recommendation CM/Rec(2010)5 of the Committee of Ministers to member States on measures to combat discrimination on grounds of sexual orientation or gender identity” die Mitgliedstaaten nach dem Stand der Umsetzung der Empfehlungen. 39 Mitgliedstaaten antworteten auf den Fragebogen. Die Auswertung zeigte, dass die Situation von Transgender Personen einschließlich der Aspekte, die mit der rechtlichen Anerkennung von Gender zusammenhängen, erhöhter Aufmerksamkeit bedarf. [7]
Weniger als die Hälfte (17) der antwortenden Mitgliedstaaten haben angemessene Maßnahmen um die volle rechtliche Anerkennung des Genderwechsels einer Person in allen Lebensbereichen in Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Paragraph 21 im anhand der Empfehlung zu garantieren. Nur 15 Mitgliedstaaten gaben an, dass sie aktuell an diesem Thema arbeiten oder beabsichtigen das zu tun. Eine noch kleinere Zahl von Mitgliedsstaaten (13) gab an, dass sie ihre vorherigen staatlichen Regelungen für die rechtliche Anerkennung des Genderwechsels überprüft hatten, um missbräuchliche Anforderungen zu beseitigen.[8]
Die dargestellten Informationen machen deutlich, dass es Bedarf für weitere Arbeit an den Themen gibt, die mit der rechtlichen Anerkennung von Gender in allen 47 Mitgliedstaaten des Europarates zusammenhängen. In der 5. Monitoring-Runde der Europäischen Kommission gegen Rasismus und Intoleranz (ECRI) wird systematisch empfohlen, dass die Regierungen eine Gesetzgebung zu Genderanerkennung und Genderwechsel entwickeln, die mit internationalen Standards und Expertise übereinstimmt.
In einer positiven Note gestehen viele Mitgliedstaaten zu, dass sie über Wege nachdenken die Menschenrechte von Transgendern zu verbessern, insbesondere im Hinblick auf rechtliche und politische Maßnahmen und die volle rechtliche Anerkennung von Genderwechsel in allen Lebensbereichen sicherzustellen und die bisherigen Anforderungen für die Anerkennung der Genderidentität von Transgendern zu überprüfen.
Die Parlamentarische Versammlung begrüßt in ihrer Resolution 2048 (2015) über die Diskriminierung von Transgendern in Europa “die Entstehung eines Rechts auf Genderidentität und das Recht gemäß dieser Identität behandelt und identifiziert zu werden.”[9]
Rechtliche Herausforderungen
Frühere Anforderungen für die Anerkennung von Gender
In vielen Mitgliedstaaten des Europarates enthalten die Verfahren für die rechtliche anerkennung des Gender spezielle Kriterien, die eine Person zu erfüllen hat, bevor sie ihren Namen und ihr registriertes Gender ändern darf. Das Ministerkommittee des Europarates hat festgestellt, dass solche Kriterien „regelmäßig überprüft werden sollten, um mussbräuchliche Anforderungen zu beseitigen“.[10] Das erklärende Memorandum zu Empfehlung CM/Rec(2010)5 listet einige solcher missbräuchlichen Anforderungen für die rechtliche Anerkennung des Gender auf: irreversible Sterilisation, Hormonbehandlung, vorausgehende operative Maßnahmen und manchmal der Beleg, dass eine Person für längere Zeit in der Lage ist in ihrem neuen Gender zu leben (so genannter „Alltagstest“).[11] Die Liste ist nicht abschließend, weil die Voraussetzungen in Mitgliedstaaten des Europarates auch das Alter und den Familienstand betreffen können.
Auch wenn es einen Ermessenspielraum gibt, welche Anforderungen Staaten für die rechtliche Genderanerkennung stellen können, hat der Gerichtshof betont, dass es wichtig ist, den Bedarf für solche Kriterien „unter Beachtung wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen“[12] zu prüfen.
Diese Anforderungen sollten nicht beliebig sein. Im Rahmen dieses Ermessensspielraums sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen konkurrierenden Interessen des Einzelnen und der Gemeinschaft erreicht wird.[13] Mitgliedstaaten haben nicht nur das Recht des Einzelnen auf Achtung des Privatlebens zu berücksichtigen, sondern auch andere individuelle Menschenrechte, die auf auf dem Spiel stehen, wie die Achtung der Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit, das Verbot der Folter und das Recht auf ein faires Verfahren und einen wirksamen Rechtsbehelf.
In ihren Antworten auf den Fragebogen der CDDH gaben 15 Mitgliedstaaten des Europarats an, dass sie an einigen Aspekten der rechtlichen Anerkennung der Genderzugehörigkeit arbeiten oder arbeiten möchten. Einige Mitgliedstaaten geben an, dass sie die bisherigen Anforderungen für die der rechtlichen Anerkennung der Genderzugehörigkeit überprüfen wollen; andere, dass sie prüfen wollen, wie sie die volle rechtliche Anerkennung der Genderidenität einer Person gewährleisten können. Einige Mitgliedstaaten haben in jüngster Zeit Reformen im Zusammenhang mit der rechtlichen Anerkennung der Genderzugehörigkeit von Transgender-Personen durchgeführt. Sie liefern dadurch Beispiele für bewährte Praktiken zur uneingeschränkten Achtung der Menschenrechte von Transgenderpersonen beim Umgang mit der rechtlichen Anerkennung der Genderzugehörigkeit.
Medizinische Anforderungen
Derzeit haben 29 Mitgliedstaaten des Europarates Anforderungen wie die Vorlage einer psychiatrischen Diagnose oder obligatorische medizinische Behandlungen wie Hormonbehandlungen und chirurgische Eingriffe für eine gesetzliche Anerkennung der Genderzugehörigkeit.[14] Einrichtungen des Europarats achten immer mehr auf obligatorische medizinische Interventionen. Der Kommissar für Menschenrechte des Europarats hat empfohlen, die Mitgliedstaaten sollten Sterilisation und sonstige obligatorische medizinische Behandlungen als Voraussetzungen für die Änderung des Namens und des Gender abschaffen.[15]
Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat einen Bericht angenommen, der die Mitgliedstaaten auffordert, nicht länger Zwangssterilisationen oder Kastrationen zu erzwingen, auch nicht von Transgendern.[16] Darüber hinaus fordert die Versammlung in der Resolution 2048 (2015), die Mitgliedstaaten auf, „Sterilisation und sonstige obligatorische medizinische Maßnahmen abzuschaffen ebenso wie psychische Diagnosen“. In seinen Schlussfolgerungen aus dem Jahr 2013 hat der Europäische Ausschuss für soziale Rechte eine Frage an dieVertragsparteienaufgenommen, ob die rechtliche Anerkennung des Gender in Rechtsvorschriften oder in der Praxis Anforderungen von Zwangssterilisierung oder anderer invasiven medizinischen Behandlung enthält, diedie Gesundheit oder körperliche Unversehrtheit von Transgenderpersonen beeinträchtigen können.[17]
Das Ministerkomitee hat in seiner Empfehlung CM/Rec (2007)17 zu Gleichstellungsnormen und -mechanismen bekräftigt, dass „Frauen und Männer ein nicht verhandelbares Recht haben müssen, selbst über ihren eigenen Körper zuentscheiden, einschließlich der sexuellen und reproduktiven Fragen. Dieser Hinweis muss in der Entwicklung, in der Durchführung, im Zugang zu, im Monitoring und in der Evaluierung von Gesundheitsdiensten und Forschungsprioritäten widerspiegeln.“[18] Der Kommissar für Menschenrechte hat hervorgehoben, dass die Sterilisation oder andere chirurgische Eingriffe als Voraussetzung für die rechtliche Anerkennung des Gender, die Tatsache außer Acht lässt, dass zwar viele Transgender solche Behandlungen anstreben, andere jedoch solche Behandlungen weder benötigen noch wollen. Außerdem werden solche Behandlungen nicht immer durch den Facharzt einer Transgenderperson empfohlen. Der Kommissar wies ferner darauf hin, dass die Mitgliedstaaten, die einschneidende physikalische Verfahren von Transgendern verlangen, deren Recht, eine Familie zu gründen, tatsächlich beeinträchtigen.[19]
Der Gerichtshof hat in seinem Urteil Y.Y. gegen Türkei[20] festgestellt, dass es gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 8 EMRK)verstößt, wenn ein Mitgliedstaat einer Transgender-Person, die zuvor nicht sterilisiert wurde, die rechtliche Anerkennung des Gender verweigert.[21]
Das Erfordernis einer Sterilisation wurde durch Gerichtsverfahren oder Änderungen der Rechtsvorschriften in mehreren Mitgliedstaaten aufgegeben. In Österreich[22] und Deutschland[23]wurde das Erfordernis einer Sterilisation als von den jeweiligen Verfassungsgerichten als verfassungswidrig erklärt. In der Schweiz hat das Obergericht Zürich entschieden, dass es für die rechtliche Anerkennung der Genderzugehörigkeit nicht notwendig ist, dass eine Person irreversibel unfruchtbar ist.[24] Das Berufungsgericht in Stockholm hat in einem Urteil vom 19. Dezember 2012 festgestellt, dass das Erfordernis der Sterilisierung in der rechtlichen Anerkennung der Genderzugehörigkeit rechtswidrig ist und eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention.[25] In den Niederlanden wird in der Begründung des Gesetzes zur Anerkennung von Gender[26] anerkannt, dass angesichts der aktuellen Standards die Voraussetzung einer irreversiblen Unfruchtbarkeit „zu weit geht, und daher als unverhältnismäßig im Hinblick auf das angestrebte Ergebnis, eine Änderung der Beschreibung des Gender in der Geburtsurkunde, angesehen werden muss“.
Der Kommissar für Menschenrechte hat auch auf Probleme bei der medizinischen Einstufung von Transgender-Identitäten hingewiesen[27] und die Parlamentarische Versammlung hat die Mitgliedstaaten aufgefordert, „ eine Änderung der Klassifizierung von Krankheiten auf nationaler Ebene zu befürworten und die Änderung der internationalen Systematiken zu gewährleisten und so dafür zu sorgen, dass Transgender, darunter auch Kinder, nicht als psychisch Kranke gekennzeichnet werden, damit der Zugang zu notwendigen medizinischen Behandlungen ohne Stigmatisierung gewährleistet werden kann“.[28]
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nennt in seiner Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) Transsexualität als „Psychische und Verhaltensstörung“.[29] Auf Grundlage der Fortschritte in der Wissenschaft und den politischen Debatten schlägt die WHO in der ICD-11 Beta Entwurf[30] vor, die Kategorie „Störungen der Genderidentität“ aus den Kapiteln über psychische und Verhaltensstörungen zu entfernen. Um einen nicht stigmatisierenden Zugang zu transpezifischer Gesundheitsversorgung zu erleichtern, wird die Diagnose „Genderinkongruenz bei Jugendlichen und Erwachsenen“ in den Entwurf der ICD-11 eingefügt.
Es ist ein klarer Trend unter den Staaten in Europa zu beobachten, dass sie sich im Übergang von obligatorischen medizinischen Anforderungen hin zu Verfahren auf der Grundlage der Selbstbestimmung befinden. Norwegen[31], Schweden[32] und Finnland[33] überarbeiten ihre rechtlichen Anerkennungsverfahren in Anlehnung an die Beispiele von Dänemark (2014)[34], Malta (2015)[35] und Irland (2015)[36] In diesen Ländern sind psychiatrischen Diagnosen einer „Genderidentitätsstörung“ und/oder psychologische Untersuchungen nicht mehr erforderlich für die rechtliche Anerkennung des Gender. Die Vollendung des ICD Reformprozesses wird Regierungen zu der Reform ihrer Verfahren ermutigen.[37]
Viele nationale Verfahren zur rechtlichen Anerkennung der Genderzugehörigkeit erfordern eine Diagnose der Transsexualität durch psychologische Sachverständige. Demgegenüber hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung erkannt, dass die Rolle der medizinischen Aspekte und medizinischer Anforderungen in den Verfahren zur Anerkennung von Gender nicht unverhältnismäßig sein dürfen. In der Rechtssache Van Kück gegen Deutschland[38] hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Beweislast für die medizinische Notwendigkeit einer Geschlechtsangleichung der Klägerin unverhältnismäßig sei, da Genderidentität einer der intimsten Bereiche des Privatlebens ist. Daher entschied das Gericht, dass das nationale Verfahren eine Verletzung von Artikel 6 Absätze 1 und 8 der EMRK darstelle, weil es nicht die Kriterien für ein faires Verfahren erfülle und gegen das Recht des Klägers auf Schutz der Privatsphäre verstoße.
Personenstand
In den Ländern, die gleichgeschlechtliche Ehen nicht erlauben,führt die Situation, dass eine Transgenderperson, die ursprünglich eine Ehe unterschiedlichen Geschlechts geschlossen hat, weiterhin verheiratet bleiben will, nachdem die rechtliche Anerkennung der Genderzugehörigkeit abgeschlossen ist , zu einer zusätzlichen Herausforderung für die Gesetzgeber: Ehen mit gleichgeschlechtlichen Partnern. Der Kommissar für Menschenrechte des Europarats hat empfohlen, dass die Mitgliedstaaten alle Beschränkungen aufheben, die verhindern, dass Transgender-Personen in einer bestehenden Ehe bleiben, nachdem die rechtliche Anerkennung des Gender erfolgt ist.[39] Der Kommissar weist auch darauf hin, dass in mehreren Mitgliedstaaten ein Elternteil, das sich einer Genderanpassung unterzogen hat, das Sorgerecht für sein Kind infolge einer erzwungenen Scheidung verlieren könnte.[40]
Im Fall Hämäläinen gegen Finnland[41] stellte der Gerichtshof fest, dass es nicht unverhältnismäßig ist, die Umwandlung der Ehe einer Transgender-Frau in eine eingetragenen Partnerschaft zu verlangen, bevor ihr weibliches Gender rechtlich anerkannt wird. Weil die Rechtsinstitute der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft in Finnland fast identisch sind, stellte der Hof fest, dass keine Verletzung des Artikels 8 oder des Artikels 14 in Verbindung mit den Artikeln 8 und 12 vorliegt. Der Gerichtshof konnte keine Verletzung des Rechts auf Achtung des Familienlebens feststellen, weil die Umwandlung der Ehe der Transgender-Frau in einer eingetragenen Partnerschaft keine Auswirkungen auf die Vaterschaft ihres leiblichen Kindes oder auf die Verantwortung für die Pflege, Kontrolle und Betreuung des Kindes hatte. Das Urteil ist dahin gehend auszulegen, dass eine Änderung des Personenstands als Voraussetzung für die rechtliche Anerkennung des Gender möglich ist, wenn es ein Äquivalent zur Ehe gibt, das die Rechte der Ehegatten und ihrer Kindern sicherstellt.[42]
Obwohl einige Mitgliedstaaten den Schutz von Ehe zwischen einem Mann und einer Frau in ihrer Verfassung festschreiben, kann dieser verfassungsrechtliche Schutz nicht zwangsläufig entfallen, wenn einer der Ehegatten die rechtliche Anerkennung seiner Genderidentität erwirbt. So hat zum Beispiel, obwohl das deutsche Grundgesetz sich nicht auf den Schutz der Ehe bezieht, das deutsche Bundesverfassungsgericht im Jahr 2008 entschieden , dass die Änderung des Gender in der Geburtsurkunde nicht dazu führen darf, dass eine obligatorische Ehescheidung erfolgt und erinnert daran, dass Artikel 12 der EMRK den Schutz der Ehe vorsieht. Dieser Beschluss war Anlass für eine Änderung der deutschen Rechtsvorschriften und beendete eine obligatorische Scheidung für Ehen in denen einer der Ehegatten Transgender ist.[43] Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Ansatz damit gerechtfertigt, dass „Ehepartner in der Lage sein müssen, sich darauf zu berufen, dass ihre rechtmäßig geschlossenen Ehe in Kraft bleiben, solange sie zusammenleben und gegenseitige Verantwortung tragen.“ Soweit die Ehegatten nach der Anerkennung des Gender weiterhin an dem gemeinsamen Wunsch festhalten, fällt die Ehe unter den verfassungsmäßigen Schutz.[44]
Andere Mitgliedstaaten des Europarates[45] haben das Erfordernis der Ehescheidung als Bedingung für eine gesetzliche Anerkennung der Genderzugehörigkeit aufgegeben. Im Jahr 2006 hat das österreichische Verfassungsgericht das Recht gewährt, dass eine Transgender- Frau ihr Gender anerkannt bekommen kann und dabei mit ihrer Ehefrau verheiratet bleiben kann. Der Gerichtshof hat entschieden, dass „die Änderung einer Eintragung in der Geburtsurkunde nicht durch eine Ehe behindert werden kann“.[46] Im Jahr 2009 hat ein Gericht erster Instanz in Luxemburg Stadt einer verheirateten Transgender-Frau erlaubt, die Einträge zu ihrem Gender und den Vornamen in ihrer Geburtsurkunde korrigieren zu lassen.[47] Im Jahr 2012 hat das Berufungsgericht Rennes, Frankreich die Durchsetzung einer Scheidung mit der Begründung abgelehnt, dass die Ehe auch nach einem Wechsel des Gender gültig bleibt.[48] In allen diesen Fällen hatte die Ehe zwischen Transgenderpersonen und deren Ehegatten mit gleichen Rechten und Pflichten Bestand und war so eine Garantie der Rechtssicherheit für die Ehegatten.
Der Kommissar für Menschenrechte weist auch darauf hin, dass in mehreren Mitgliedstaaten, ein Elternteil, das sich einer Geschlechtsangleichung unterzieht, das Sorgerecht für sein Kind infolge einer erzwungenen Scheidung verliert.[49] Dazu hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Genderidentität einer Person nicht genutzt werden kann, um das Sorgerecht oder Umgangsrecht eines Elternteils anzufechten.[50]
Alter
Vorschriften für die rechtliche Anerkennung von Gender können explizite Einschränkungen hinsichtlich des Alters enthalten, häufig in Form eines Mindestalters für den Zugang zum Verfahren.
Wo das Verfahren für die rechtliche Anerkennung des Gender vorausgehende medizinische Maßnahmen fordert, sind diese oft nur ab der Volljährigkeit und bis zu einem gewissen Alter (z.B. 65 Jahre) zugänglich. Das stellt eine Diskriminierung aufgrund des Alters des Betroffenen dar.[51]
Der Kommissar für Menschenrechte hat festgestellt, dass es für die rechtliche Ankerkennung des Gender von Transgender-Kindern in den meisten Ländern hohe Hürden gibt. Der Kommissar betont, dass Kinder Rechte haben und ihre Sichtweisen beachtet werden müssen, wenn Entscheidungen getroffen werden, die sie betreffen.[52] Die Parlamentarische Versammlung hat in ihrer Resolution 2048 (2015) hervorgehoben, dass “es im besten Interesse des Kindes ist, wenn es in allen es betreffenden Entscheidungen vorher beteiligt wird”[53], die die rechtliche Anerkennung von Gender betreffen.
Einige Mitgliedstaaten haben in letzter Zeit ihre Altersgrenzen für die Anerkennung von Gender überprüft. Nach dem neuen Gesetz für die rechtliche Anerkennung von Gender in den Niederlanden, sind junge Menschen ab 16 Jahren berechtigt, die Anerkennung ihres Gender zu beantragen. Die Schwedische Regierung hat vor kurzem einen Bericht über die Auswirkungen einer Senkung der Altersgrenze beauftragt. [54] Die ministerialen Expertengruppen, die die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Finnland[55] und Norwegen [56] überprüften, haben ebenfalls empfohlen, eine strikte Altersgrenze zu überdenken. ein wichtiger Grund, der dazu geführt hat, die Altersgrenze in Schweden zu senken, ist die Tatsache, dass junge Transgender Zurückweisung erfahren und andere Probleme durch ihr Umfeld im täglichen Leben haben haben können, wie beispielsweise Mobbing und Ausgrenzung. Die Tatsache, dass die rechtliche Anerkennung des Gender in Schweden nicht länger mit medizinischen Maßnahmen verknüpft ist, ist ein weiteres Argument für die Regierung, das Alterserfordernis zu überprüfen.
In der Entscheidung Schlumpf gegen die Schweiz[57] hat der Gerichtshof festgestellt, dass eine Wartezeit von zwei Jahren vor geschlechtsangleichenden Operationen im Hinblick auf das Alterdes Antragstellenden eine Verletzung von Artikel 8 darstellt. Aufgrund des Alters des Antragstellenden (67) wurde die Entscheidung eine geschlechtsangleichende Operation vornehmen zu lassen, durch die lange Wartezeit beeinträchtigt. Die gesetzte Wartezeit sollte daher nicht mechanisch ohne Rücksicht auf die persönlichen Umstände angewendet werden, weil dadurch die Freiheit beeinträchtigt wird, sein eigenes Gender zu bestimmen.
Schnelle, zugängliche und transparente Verfahren
Die Mitgliedstaaten sollten dafür Sorge tragen, dass die Änderung des Namens und der amtlichen Dokumente durch rasche, transparente und zugängliche Verfahren angefordert werden können, die die vollständige rechtliche Anerkennung in allen Lebensbereichen wirksam gewährleisten.
Missbräuchliche Anforderungen führen dazu, dass die rechtliche Anerkennung der Genderzugehörigkeit einer Person weniger zugänglich ist, und zu langwierigen und kostspieligen Verfahren. Wenn es um die rechtliche Anerkennung der Genderzugehörigkeit geht, hat der Gerichtshof entschieden, dass eine nationale Regelung entsprechend den Rechten aus der EMRK „praktisch und effektiv, nicht theoretisch und illusorisch“.[58] sein muss. Dem Gerichtshof zufolge muss es für eine Person in der Praxis möglich sein, die Anforderungen für die Anerkennung durch den Staat zu erfüllen. [59]
Dabei handelt es sich beispielsweise um die Forderung nach einer operativen Geschlechtsangleichung, wenn solche Dienste in dem Land nicht angeboten werden oder wenn sie im Ausland bezahlt werden müssen. Das stellt ein Hindernis für eine gesetzliche Anerkennung der Genderzugehörigkeit dar.
Die Notwendigkeit, ein rasches Verfahren zur rechtlichen Anerkennung der Genderzugehörigkeit anzubieten, verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass der Zeitraum von der Antragstellung bis zur vollständigen rechtlichen Anerkennung nicht unangemessen lang ist. Die Verwaltungsverfahren für die rechtliche Anerkennung des Gender nach portugiesischem Recht[60] legen fest, dass zuständige Behörden über eine Änderung von Name und Gender innerhalb von acht Tagen nach Eingang des Antrags zu entscheiden haben. Einige Mitgliedstaaten verlangen jedoch den Nachweis der Fähigkeit eines Menschen, lange Zeit in seiner jeweiligen Genderidentität zu leben, bevor persönliche Dokumente ausgetauscht werden können.
Zu verlangen, dass eine Person bereits in ihrer Genderidentität lebt, ohne dass sie dazu passende Personaldokumente hat, kann zu Diskriminierung und Gewalt führen. In den 12 Monaten vor einer EU-weiten Erhebung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) fühlten sich fast ein Drittel der Trans Befragten diskriminiert, die in eine Lage gebracht wurden, in der sie ihre Identität durch Ausweispapiere oder amtliche Dokumente , die ihr Gender offenlegten, nachweisen mussten.[61]
Eine erhöhte Dauer des Verfahrens kann für eine Person eine Quelle der potenziellen Diskriminierung werden und bleibt es bis zum Abschluss des Verfahrens der Anerkennung der Genderzugehörigkeit. Die persönliche Situation des Einzelnen ist vollständig zu berücksichtigen, um ein „rasches, transparentes und zugängliches“ Verfahren zu garantieren. Mechanisch angewandte Wartezeiten vor einer operativen Geschlechtsangleichung verstoßen möglicherweise gegen Artikel 8 EMRK (Schlumpf/Schweiz).[62] Deshalb sollten bei der Bewertung von zeitlichen Vorgaben nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Aspekte berücksichtigt werden.
Ferner muss das Verfahren zur rechtlichen Anerkennung der Genderzugehörigkeit transparent sein, um für mehr Rechtssicherheit zu sorgen und für ein vorhersehbares Ergebnis für den Antragsteller und die zuständigen Behörden sorgen. Dies ist am besten gewährleistet, wenn ein Staat geeignete Maßnahmen ergreift, um in seinen nationalen Rechtsvorschriften die rechtliche Anerkennung der Genderzugehörigkeit zu regeln. Die Rechtsvorschriften sollten hinsichtlich ihrer Auslegung und Durchführung eindeutig sein und und Rechtsbehelfsverfahren enthalten. die Beseitigung von unklaren oder unnötigen Anforderungen oder unklaren Verfahrens- und Verwaltungsvorschriften verringert die Möglichkeit des Missbrauchs. Ferner werden der Verwaltungsaufwand und der Regulierungsdruck ebenso reduziert wie der Druck auf die Justiz, den Sachverhalt zu klären.[63]
Schließlich sollten die Mitgliedstaaten zudem sicherstellen, dass die Verfahren zur rechtlichen Anerkennung der Genderzugehörigkeit zugänglich sind. Verbesserung der Zugänglichkeit kann auch praktische Erwägungen in Bezug auf die persönliche Situation des Klägers beinhalten. Wie der Gerichtshof ausgeführt hat, könnten einige Transgender zur Erfüllung bestimmter Vorbedingungen für eine gesetzliche Anerkennung der Genderzugehörigkeit nicht in der Lage sein, beispielsweise aufgrund ihres Alters oder persönlichen Gesundheitssituation.
Auch Vereinfachung und geringe Kosten dienen der Verbesserung der Zugänglichkeit. So kostet beispielsweise im Vereinigten Königreich die Namensänderung in den amtlichen Dokumenten nur 5-10£.[64]
Ein rechtliches Verfahren mit einer gerichtlichen Überprüfung in ein einfaches und klares Verwaltungsverfahren zu verändern, durch das sichergestellt wird, dass die Möglichkeit eines Rechtsmittels – ohne komplexe medizinische und psychologische Prüfungen oder „Alltagstests“ gibt Transgender-Personen eine raschen, transparente und verständliche Möglichkeit zur rechtlichen Anerkennung ihres Gender. Die Erfahrung zeigt auch, dass die Beseitigung der willkürlichen Vorschriften zu einer erhöhten Anzahl von Anträgen auf Anerkennung der Genderzugehörigkeit führt. Innerhalb von drei Jahren nach der Annahme des spanischen Gesetzes[65] über die Anerkennung der Genderzugehörigkeit im Jahr 2007 hat sich die Zahl der Personen, die wegen ihrer Genderidentität anerkannt wurden, verfünfzehnfacht.[66]
Fälle der rechtlichen Anerkennung der Genderzugehörigkeit in Spanien 2004-2010
Volle rechtliche Anerkennung in allen Lebensbereichen
Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass der Wechsel des Namens und des Gender in offiziellen Dokumenten auch die volle rechtliche Anerkennung in allen Lebensbereichen effektiv garantiert.
In CM/Rec (2010) 5 heißt es, dass der Inhalt und Umfang der Verfahren in Bezug auf die rechtliche Anerkennung der Genderzugehörigkeit einer Person „für die Umbenennung und die Gleichstellung in amtlichen Dokumenten ausreichen müssen“ und „die entsprechende Anerkennung und Änderungen durch nichtstaatliche Akteure in Bezug auf wichtige Dokumente“. Somit müssen die Mitgliedstaaten auch sicherstellen, dass Dokumente, die nicht von staatlichen Stellen erstellt werden, wie z. B. Bildungs- und Arbeitsbescheinigungen ebenfalls geändert werden können, damit sie zu dem rechtlich anerkannten Gender einer Person passen. Außerdem sollten Verfahren zur rechtlichen Anerkennung der Genderzugehörigkeit von Transgender-Personen den Schutz des Privatlebens gewährleisten, indem sichergestellt wird, dass Dritte keinen Zugang zu Informationen über den Genderwechsel haben.[67]
Der Gerichtshof hat in dem Fall B. gegen Frankreich[68] festgestellt, dass offizielle Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass eine Diskrepanz zwischen dem gesetzlichen Gender und dem offensichtlichen Gender einer transsexuellen Person besteht, eine Verletzung von Artikel 8 der Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) sind, da sie Schwierigkeiten im Alltag für Transgender-Personen hervorrufen.
Darüber hinaus hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Transgender-Personen Schutz vor Diskriminierungen von aufgrund ihrer Genderidentität garantiert. Im Fall P. gegen S. und Cornwall County Council[69] befand der EuGH, dass die Entlassung einer transsexuellen Frau wegen der Geschlechtsangleichung eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist. Im übrigen haben sowohl der Gerichtshof im Fall Grant gegen das Vereinigte Königreich[70] und der EuGH im Fall Richards gegen Secretary of State for Work and Pensions[71] haben bestätigt, dass transsexuelle Frauen Anspruch auf ein Ruhegehalt im Alter entsprechend dem anderer Frauen haben, unabhängig davon, ob ihr weibliches Gender rechtlich anerkannt worden ist oder nicht.
Der Schutz von Transgendern bezüglich des Rechts auf Achtung ihres Privatlebens untersagt ferner die Offenlegung von Informationen über die Anerkennung der Genderzugehörigkeit durch Personen, die in amtlicher Eigenschaft damit befasst waren. Solche Personen können Inhaber eines öffentlichen Amtes oder im Zusammenhang mit den Funktionen einer kommunalen oder staatlichen Behörde, oder im Rahmen einer freiwilligen Organisation, eines Arbeitgebers oder voraussichtlicher Arbeitgebers tätig sein oder auf andere Weise im Zusammenhang mit der Führung der Geschäfte oder für die Erbringung freiberuflicher Dienstleistungen zuständig sein. Beispielsweise gibt es in § 5 des deutschen „Transsexuellengesetzes“ ein spezielles Verbot der Offenbarung. Dateien in staatlichen Registern über eine Person, die ihr Gender gewechselt hat, werden nach diesem Gesetz automatisch gesperrt und sind nur befugtem Personal zugänglich. Auf der Grundlage dieses Paragraphen hat das Landesarbeitsgericht Hamm entschieden, dass ein früherer Arbeitgeber eine neue Bescheinigung ausstellen muss, selbst wenn dies zusätzliche Aufwände für die Institution mit sich bringt. Der Gender Recognition Act[72] des Vereinigten Königreichs ist ebenfalls sehr detailliert im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre in verschiedenen Lebensbereichen im Hinblick auf Transgender.
Das Recht auf Ehe
Ausgangspunkt für die rechtliche Anerkennung von Gender sollte die Garantie voller bürgerlicher Rechte für Transgender sein. Der Gerichtshof hat in den Fällen Goodwin gegen das Vereinigte Königreich und I. gegen das Vereinigte Königreich [73] festgestellt, dass es “keine Rechtfertigung gibt, Transsexuelle unter irgendwelchen Umständen vom Recht auf Heirat auszuschließen.” ähnlich im Fall K.B. gegen National Health Service Pensions Agency[74], wo der CJEU Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts in einer Situation gegeben sah, wo einem unverheirateten Transmann das Recht verweigert wurde, die Witwerrente von seiner Partnerin zu erhalten, weil sie nicht verheiratet waren. Obwohl das Paar wegen der nationalen Gesetzgebung über Genderwechsel nicht heiraten konnte, führte das Prinzip der gleichen Bezahlung von Männern und Frauen aus dem Recht der Europäischen Union dazu, dass der Kläger eine Witwerpension zugesprochen bekam.
Heute erkennen die meisten Mitgliedstaaten des Europarates, die ein Verfahren für die rechtliche Anerkennung des Gender haben, auch an, dass Transgender das Recht haben eine Person zu heiraten, die dem nach der rechtlichen Anerkennung des Gender ihrer Identität nun anderen Geschlecht angehört.
Zusammenfassende Anmerkungen
Bei der rechtlichen Anerkennung von Gender geht es um die Sicherstellungt des Respekts vor der Privatsphäre von Transgendern, um Selbstbestimmung, Nicht-Diskriminierung und Würde. Dies kann durch schnelle, zugängliche und transparente Verfahren garantiert werden, die gesetzlich vorgeschrieben werden und keine früheren missbräuchlichen Anforderungen enthalten. Praktisch bedeutet das, Transgender mit Ausweispapieren und anderen relevanten offiziellen Dokumenten auszustatten, die ihrer Genderidentität entsprechen. Staaten sollten zudem zugestehen, dass es neben dem männlichen und weiblichen Gender eine dritte oder neutrale Genderoption für diejenigen gibt, die das wünschen.[75]
Wenn Gesetzgebungen, Richtlinien oder andere Maßnahmen geplant sind, die Auswirkungen auf die Menschenrechte von Transgendern haben, ist es, wie in der Empfehlung des Ministerkomitees dargelegt[76], wichtig in angemessener Weise die Community der Transgender und NGOs zu beteiligen, die sich um deren Menschenrechte kümmern.
Editorial
Hinweise der Übersetzerin
- Die Übersetzung ist inoffiziell und nicht autorisiert. Mögliche Fehler oder Ungenauigkeiten sind alleine mir anzulasten
- Die Fußnoten habe ich nicht übersetzt, sondern füge sie in der Originalversion bei
- Übersetzung des Begriffes Gender: Im englischen Original wird weitestgehend der Begriff „gender“ verwendet. Da es dieses Wort im Deutschen so nicht gibt, hätte ich es eigentlich immer mit „Geschlecht“ übersetzen müssen. Dadurch wird jedoch mE die korrekte Sicht, dass es nämlich im rechtlichen Kontext primär, eigentlich sogar ausschließlich um die soziale Stellung einer Person geht, zugunsten eines auf die körperlichen Eigenschaften fokussierten Verständnisses verzerrt. Um das zu vermeiden und auch um deutlich zu machen, dass es um den sozialen Status der betroffenen Personen geht, habe ich versucht, konsequent den Begriff Gender und nicht das Wort Geschlecht zu benutzen. Dort, wo es um die Veränderung des Körpers geht, habe ich das Wort Geschlecht benutzt.
Einen Grenzfall stellt in diesem Zusammenhang die Identität einer Person dar. Die Identität bildet nämlich die Schnittstelle zwischen den persönlichen Eigenschaften (Geschlecht) und der sozialen Rolle (Gender). Auch hier habe ich, dem Original „gender identity“ folgen durchgängig den Begriff „Genderidentität“ verwendet. - Transgender: Es ist in Deutschland immer noch gebräuchlich, statt des weiten Begriffes Transgender (siehe dazu Endnote 2) nur von Transsexuellen zu sprechen, wenn es um Menschen geht, die ihr offizielles Gender in Papieren, Registern aber auch körperlich ändern lassen wollen. Dies ist jedoch mE falsch, da es eine Vielzahl von Personen gibt, die von Genderinkongruenz betroffen sind und unter Verletzungen von Menschenrechten leiden.
- Die Seitenzahlen des Originals habe ich in meiner Version zugunsten eines besseren Leseflusses weggelassen. Die Gliederungspunkte ermöglichen gleichwohl eine leichte Auffindbarkeit der Originalstellen.
Verweise
- Recht transident
- Weg mit dem TSG!
- Bürger, die nicht sie selbst sein dürfen
- Hammarberg: Menschenrechte und Geschlechtsidentität
- Beschluss Europarat 2015
Endnoten
[1] Gender identity refers to each person’s deeply felt internal and individual experience of gender, which may or may not correspond with the sex assigned at birth, including a personal sense of one’s body and other expressions of gender, including dress, speech and mannerisms.
[2] According to the definition of the Commissioner for Human Rights, “transgender persons include persons who have a gender identity which is different from the gender assigned to them at birth and those people who wish to portray their gender identity in a different way from the gender assigned at birth. It includes those people who feel they have to, prefer to, or choose to, whether by clothing, accessories, mannerism, speech patterns, cosmetics or body modification, present themselves differently from the expectations of the gender role assigned to them at birth. This includes, among many others, persons who do not identify with the labels ‘male’ and ‘female’, transsexuals, transvestites and cross-dressers.” (Discrimination on grounds of sexual orientation and gender identity in Europe,Commissioner for Human Rights, Council of Europe Publishing, 2011, p. 132) Worldwide estimates for male-to-female transgender people are 1 in every 30 000 people. Female-to-male transgender persons are estimated at 1 in every 100 000 people. However, these numbers are likely underestimated because they only account for transgender persons diagnosed with Gender Identity Disorder (GID) and/or people receiving services at gender clinics. They therefore do not include all transgender persons. See “Report of the Task Force on Gender Identity and Gender Variance”, American Psychological Association, 2009 and G. DeCuypere et al., “Prevalence and Demography of Transsexualism in Belgium”, European Psychiatry, April 2007.
[3] Court judgments B. v. France, No. 13343/87 (1992); Goodwin v. the United Kingdom and I. v. the United Kingdom, Nos. 28957/95 and 25680/94 (2002).
[4] Mr Hammarberg was the Council of Europe Commissioner for Human Rights from 1 April 2006 to 31 March 2012.
[5] Thomas Hammarberg, “Human rights and gender identity”, CommDH/IssuePaper(2009)2, p. 16-18. See also “Homophobia and Discrimination on the grounds of sexual orientation in the EU Member States. Part I Legal Analysis”, European Union Agency for Fundamental Rights, 2008, pp. 131-133.
[6] Adopted by the Committee of Ministers on 31 March 2010 at the 1081st meeting of the Ministers’ Deputies. Available at: https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=1606669
[7] Report on the implementation of the Committee of Ministers’ Recommendation CM/Rec(2010)5 on measures to combat discrimination on grounds of sexual orientation or gender identity. Steering Committee for Human Rights (CDDH), CDDH (2013)R77 Addendum VI, paragraph 90.
[8] Member states’ replies to the CDDH Questionnaire on the implementation of Committee of Ministers’ Recommendation CM/Rec(2010)5 on measures to combat discrimination on grounds of sexual orientation or gender identity. All the answers are available at: www.coe.int/t/dghl/standardsetting/hrpolicy/Others_issues/LGBT/Follow_up_en.asp
[9] http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-DocDetails-EN.asp?FileID=21736&lang=EN
[10] CM/Rec(2010)5, Appendix, paragraph 20.
[11] Explanatory Memorandum to CM/Rec(2010)5, see section IV. Right to respect for private and family life, https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=1570957.
[12] Goodwin v. the United Kingdom and I. v. the United Kingdom, Nos. 28957/95 and 25680/94 (2002).
[13] Hämäläinen v. Finland, No. 37359/09 (2014).
[14] ILGA Europe Rainbow Map 2014. www.ilgaeurope.org/home/publications/reports_and_other_materials/rainbow_europe.
[15] “Human rights and gender identity”, op. cit., p. 23-25, 44.
[16] Parliamentary Assembly Resolution 1945 (2013) on putting an end to coerced sterilisations and castrations, http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-DocDetails-EN.asp?FileID=19984&lang=EN
[17] Conclusions 2013, General Introduction, European Social Charter, European Committee of Social Rights.
[18] Recommendation CM/Rec(2007)17 of the Committee of Ministers to member States on gender equality standards and mechanisms. (21 November 2007), Principle 44.https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=1215219&Site=CM
[19] “Human rights and gender identity”, op. cit., pp. 19 and 21.
[20] Y.Y. v. Turkey, No. 14793/08 (2015).
[21] In 1997, the Court declared inadmissible the case of Roetzheim v. Germany (No. 40016/98), which concerned the validity of a prior requirement of sterilisation for legal gender recognition.
[22] Austrian Constitutional Court (VfGH), Case V 4/06 (2006).
[23] German Constitutional Court (BVerfG), Case 1 BvR 3295/07 (2011).
[24] Cantonal High Court of Zurich, Case NC090012 (2011).
[25] Court verdict in English: http://tgeu.org/wp-content/uploads/2015/01/Sweden_Sterilisation_verdict_19_12_2012_EN.docx Verdict in Swedish:www.tgeu.org/sites/default/files/Sweden_Sterilisation_verdict_19_12_2012_SE.pdf
[26]Wijziging van Boek 1 van het Burgerlijk Wetboek en de Wet gemeentelijke basisadministratie persoonsgegevens in verband met het wijzigen van de voorwaarden voor en de bevoegdheid ter zake van wijziging van de vermelding van het geslacht in de akte van geboorte.
www.rijksoverheid.nl/documenten/brieven/2012/09/03/memorie-van-toelichting-voor-waarden-voor-en-de-bevoegdheid-ter-zake-van-wijziging-van-de-vermelding-van-het-geslacht-in-de-akte
[27] “Human rights and gender identity”, op. cit., pp. 23,25, 44.
[28]Parliamentary Assembly Resolution 2048 (2015) on discrimination against transgender people in Europe, 22 April 2015, paragraphs 6.2.2.and 6.3.3.
[29]F64.0 in ICD-10.
[30]3. 1. http://apps.who.int/classifications/icd11/browse/l-m/en
[31]www.regjeringen.no/contentassets/d3a092a312624f8e88e63120bf886e1a/rapport_juridisk_kjonn_100415.pdf
[32]See Swedish Government inquiry report: available at http://tgeu.org/wp-content/uploads/2015/07/Sweden_Report_Age-Requirement-LGR.pdf
[33]The final report of the expert group of the Finnish Social and Health Ministry (in Finnish): Sosiaali- ja terveysministeriön translakityöryhmän loppuraportti Sukupuolen oikeudellisen vahvistamisen edellytykset
[34]L 182 Motion to amend the Act on the (Danish) Civil Registration System, unofficial English translation available at: http://tgeu.org/sites/default/filesDenmark_Civil_Registry_law.pdf
[35]https://socialdialogue.gov.mt/en/Public_Consultations/MSDC/Documents/GIGESC/70%20-%202014%20-%20GIGESC%20-%20EN.pdf
[36]www.oireachtas.ie/documents/bills28/acts/2015/a2515.pdf
[37] The World Health Organization is currently revising the International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD). In the working draft (ICD-11 beta draft), WHO proposes to remove the category “gender identity disorders” from section 7: Mental and behavioural disorders (which used to be section F in the ICD-10,http://apps.who.int/classifications/icd11/browse/l-m/en ); “Human rights and gender identity”, op. cit., pp. 23-25;
Principle 3 of the Yogyakarta Principles states: “Each person’s self-defined sexual orientation and gender identity is integral to their personality and is one of the most basic aspects of self-determination, dignity and freedom.” Principle 18 states: “Notwithstanding any classifications to the contrary, a person’s sexual orientation and gender identity are not, in and of themselves, a medical condition and are not to be treated, cured or suppressed.”
Yogyakarta Principles on the Application of International Human Rights Law in relation to Sexual Orientation and Gender Identity, 2006. www.yogyakartaprinciples.org/.
[38]Van Kück v. Germany, No. 35968/97 (2003).
[39]“Human rights and gender identity”, op.cit., pp. 22-23, 45.
[40]Ibid., p. 22.
[41]Hämäläinen v. Finland, No. 37359/09 (2014).
[42]Compare: www.thejournal.ie/readme/trangender-laws-ireland-1597295-Jul2014/?utm_source=shortlink
[43] German Constitutional Court (BVerfG), Case 1 BvL 10/05 (2008).
[44] See “Proposed transgender laws are good news for lawyers – not couples”, Opinion by Michael Farrell in The Journal, ie 31.7.2014;http://dip21.bundestag.de/dip21btd/16/131/1613157.pdf
[45] 18 member states: Austria, Belgium, Croatia, Denmark, Estonia, Georgia, German, Iceland, Luxembourg, Malta, the Netherlands, Norway, Portugal, Romania, Slovenia, Spain, Sweden, Switzerland. See Transgender Europe’s Trans Rights Europe Map 2015, available at: http://tgeu.org/wp-content/uploads/2015/05/trans-map-Side-B-may-2015_image.png
[46] Austrian Constitutional Court (VfGH), Case V 4/06 (2006).
[47] First Chamber of the arrondissement of Luxembourg, Civil Judgment No. 184/2009, (2009).
[48] Cour d’Appel de Rennes (France), Case No. 11/08743, 1453, No. 12/00535 (2012).
[49] “Human rights and gender identity”, op. cit., p. 22.
[50] P. V. v. Spain, No. 35159/09, 30 November 2010, concerned the restriction of contact arrangements between a trans woman and her six-year-old child. While the Court did not find a violation in P. V.’s case, it issued a general statement that a parent’s gender identity cannot be invoked to limit their parental rights.
[51] On age restrictions, see “The state decides who I am – Lack of legal gender recognition for transgender people in Europe”, Amnesty International 2014, pp. 27-28; see also, Richard Köhler, Alecs Recher and Julia Ehrt, “Legal gender recognition in Europe – A toolkit”, TGEU, 2013, pp. 22-23.
[52] “LGBTI children have the right to safety and equality”, Commissioner’s Human Rights Comment, 2 October 2014. www.coe.int/en/web/commissioner/-/lgbti-children-have-the-right-to-safety-and-equality
[53] Parliamentary Assembly Resolution 2048 (2015), paragraph 6.2.5.
[54] tgeu.org/wp-content/uploads/2015/07/Sweden_Report_Age-Requirement-LGR.pdf
[55] Final report of the ministry expert group of 6 April 2015 (in Finnish): Sosiaali- ja terveysministeriön translakityöryhmän loppuraportti Sukupuolen oikeudellisen vahvistamisen edellytykset.
[56] Norwegian working group report, 10 April 2015 (in Norwegian): www.regjeringen.no/contentassets/d3a092a312624f8e88e63120bf886e1a/rapport_juridisk_kjonn_100415.pdf
[57]Schlumpf v. Switzerland, No. 29002/06 (2009).
[58] Goodwin v. the United Kingdom and I. v. the United Kingdom, Nos. 28957/95 and 25680/94 (2002).
[59]In L. v. Lithuania, No. 27527/03 (2007), the Court held that there had been a violation of Article 8. Even though Lithuanian law recognised transgender persons’ right to change their legal gender, there was no law regulating gender reassignment surgery, which in practice made legal gender recognition very difficult.
[60]Lei No. 7/2011 de 15 de Março Cria o procedimento de mudança de sexo e de nome próprio no registo civil e procede à décima sétima alteração ao Código do Registo Civil [Law establishing procedures for legally changing sex and name in official registries].
[61] Being Trans in the European Union – Comparative analysis of EU LGBT survey data, p. 82 http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2014-being-trans-eu-comparative_en.pdf
[62]Schlumpf v. Switzerland, No. 29002/06 (2009).
[63]Compare the approach taken by the Government of the Netherlands while reviewing the legal gender recognition procedures in 2012:
www.rijksoverheid.nl/documenten/brieven/2012/09/03/memorie-van-toelichting-voorwaarden-voor-en-de-bevoegdheid-ter-zake-van-wijziging-van-de-vermelding-van-het-geslacht-in-de-akte
[64] “Legal gender recognition in Europe – Toolkit”, 2013, available at: www.tgeu.org/sites/default/files/Toolkit_web.pdf
[65] Law 3/2007 of 15 March on Rectificación registral de la mención relativa al sexo de las personas [the rectification of the mentions of sex in registries].
[66]Recher A., Änderung von Name und amtlichem Geschlecht bei Transmenschen, University of Zurich, 2012, p. 92.
[67] CM/Rec(2010)05, Appendix, paragraph 21, and Explanatory memorandum, paragraphs 20-21.
[68] B. v. France, No. 13343/87 (1992).
[69]CJEU Case P. v. S. and Cornwall County Council, C-13/94 (1996).
[70] Grant v. the United Kingdom, No. 32570/03 (2006).
[71] CJEU Case Richards v. Secretary of State for Work and Pensions, C-423/04 (2006).
[72] UK Gender Recognition Act 2004, www.legislation.gov.uk/ukpga/2004/7/contents
[73] Goodwin v. the United Kingdom and I. v. the United Kingdom, Nos. 28957/95 and 25680/94 (2002); see also Recommendation CM/Rec(2010)5, paragraph 22.
[74] CJEU Case K.B. v. National Health Service Pensions Agency, C-117/01 (2006).
[75] The EU Survey on LGBT experiences of discrimination (FRA 2012) found that 73% of trans respondents do not identify within the gender binary. See also Parliamentary Assembly Resolution 2048 (2015).
[76]CM/Rec(2010)5 Appendix, paragraph 12