Ein bisschen SF, eine Prise Spaß und viel Transgender-Stress habe ich in dieser kleinen Geschichte zusammengemixt.
„Ich benötige Freiwillige für ein Forschungsprojekt!“ Der Gedanke der Mutterseele realisierte sich klar in den Kontinua von Vinusia. „Bitte! Es ist ein wichtiges und interessantes Projekt!“
Natürlich waren die Seelen viel zu klug um nicht zu bemerken, dass die Kombination von „Freiwillige“, „wichtig“ und „interessant“ nichts wirklich Gutes verhieß. Doch wie Seelen nun mal sind, meldeten sich nach und nach genügend Freiwillige. Es hatte bloß noch einiger Versicherungen bedurft, dass es sich wie immer um einen befristeten Einsatz im 3-dimensionalen Universum handelte und dieser „eigentlich Routine mit lediglich kleinen Modifikationen“ sei und der erhoffte Erkenntnisgewinn gewaltig war. Spätestens die Begriffe „eigentlich“ und „kleine Modifikationen“ machten den Seelen deutlich, dass dieses Projekt nichts für Weicheier werden würde. Doch es fanden sich trotz dieser wenig ermutigenden Hinweise genug tapfere Freiwillige. Seelen sind nun mal sehr pflichtbewusst.
„Liebe Freiwillige, wie ihr wisst, haben wir ein großes Wissensdefizit, was die Arbeitsbedingungen der Seelen von Martonus betrifft. Sie müssen in vollkommen anderen Körpern zurechtkommen … tja, und immer wieder, ich muss sogar sagen viel zu häufig, kommt es zu Konflikten unter denen unsere im 3-Dimensionalraum befindlichen Seelen leiden. Deshalb haben wir uns zu diesem Experiment entschlossen. Ihr werdet quer durch die Zeiten und Kulturen der Dritten Dimension Daten für uns sammeln. Wichtige Daten, Daten darüber, wie es ist, als Seele in einem Körper zurecht zu kommen, wie er standardmäßig von den Martonus-Seelen benutzt wird.
Interviews der Martonus-Seelen haben nicht die gewünschten Erkenntnisse gebracht, da die wiederum nicht wissen, wie es uns in unseren Körpern geht. Es ist im Grunde ganz einfach. Wie üblich werdet ihr während des Einsatzes im 3-Dimensionalraum nichts davon wissen, dass ihr dort nur befristet tätig seid und euch eurer selbst nicht bewusst sein. Ihr werdet folglich auch nicht wissen, dass ihr in unangemessenen Körpern seid. Ihr werdet euren Job tun wie Martonische Seelen. Und nach Abschluss des Einsatzes werdet ihr hierher zurückkommen und uns berichten, was ihr erlebt habt. Wir werden wissen, wo die Unterschiede zwischen den verschiedenen Körpern in ihrer Auswirkung auf die Koexistenz mit den von uns beseelten Körpern liegen. Briefing beendet! Viel Erfolg euch allen.“
So ungefähr muss es gewesen sein, als die vinusianischen Seelen beschlossen, Kundschafterinnen in männliche Körper zu schicken. Die Nutzungsmöglichkeit menschlich-männlicher Körper durch vinusische Seelen wurde im Rahmen einen gemeinsamen Forschungsprojektes mit den Martonus-Seelen vereinbart.
Das Projekt „Variierte Umfeldbedingungen“ konnte beginnen.
Leider funktionierte es nicht so perfekt, wie sich das die Planerinnen ausgedacht hatten. Es kam zu unerwarteten Komplikationen. Obwohl sich die Seelen doch an nichts erinnern sollten und einfach nur die Seelenarbeit in anderen Körpern verrichten sollten, befristet in der 3-Dimensionalwelt, ohne Wissen über ihre wahre Existenz, schafften es viele vinusianische Seelen nicht, ihre Zeit in den männlichen Körpern konfliktfrei zu überstehen.
Immerhin, einigen machte es gar nichts aus und sie kriegten alles tadellos geregelt.
Andere spürten während des „Lebens“ nichts anderes als eine geheimnisvolle Sehnsucht, von der sie weder Ursache noch Ziel erfassen konnten.
Doch viele litten wirklich. Sie sträubten sich gegen den männlichen Körper und versuchten ihm zu entkommen…durch Fantasien oder Taten. Einige lebten in Zeiten oder Kulturen, die ihnen keine Chance ließen. Die meisten von diesen beendeten ihre Einsätze vorzeitig. Andere lebten in Kulturen die ihnen Fluchtmöglichkeiten ließen und sie als sonderbare Pseudofrauen existieren ließen. Ein Teil nutzte die Chancen der menschlichen Technologien und wandelte den Körper so lange, bis er hinreichend akzeptabel für die Seele war. Nie perfekt, aber immerhin in vielen Fällen hinreichend. Manche, deren Leid entweder erträglicher war oder die einfach härter im Nehmen waren, behielten ihre männlichen Körper unversehrt. Doch wechselten sie ab und an die Rolle und versuchten, ein wenig weiblich zu sein… im Geheimen oder auch öffentlich, je nach dem empfundenen Leid und den sich bietenden Möglichkeiten.
Diese Seelen verstanden die ganze Zeit ihres Einsatzes im 3-Dimensionalraum nicht, was eigentlich falsch war und warum. Ihnen war nur klar, dass sie Probleme hatten, die die anderen Menschen (und für solche hielten sie sich ja im 3-Dimensionalraum ebenfalls) nicht hatten und auch nicht nachvollziehen konnten.
Gut, das alles war kein richtiges Leid, es war bloß Leid im 3-Dimensionalraum der Menschen. Trotzdem war der Einsatz für die Seelen härter, als das vorher erwartet wurde. So hart, dass bei der abschließenden Auswertung das gewonnene Wissen als unbefriedigend im Vergleich zu den mentalen Kosten eingestuft wurde.
Und selbst die Tapferkeitsehrung konnte nichts daran ändern, dass das Resümee aller in dem Forschungsprojekt eingesetzten Seelen eindeutig war: „Ich melde mich nie mehr freiwillig für irgendwas!“
- Für diejenigen, die aus dem Artikel „Das Geschlecht der Seele“ hierher gekommen sind, geht es hier zurück. Alle anderen finden in dem genannten Artikel vielleicht eine interessante Ergänzung der Gedanken dieser Geschichte.
- Eine sachlichere Version des Themas: Wie es ist, trans zu sein
© Jula 2006