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Die Sache mit der Liebe

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Ausgangspunkt

Transidente Menschen sind – was ihre Sexualität angeht – interessant, wenn nicht sogar verdächtig!
Dass wir für Angehörige bildungsferner Schichten, wenn sie eine Trannie auf der Straße sehen, schlicht „Schwuchteln“ sind, ist bekannt. Für solche Leute ist ein feminin gestylter biologischer Mann automatisch scharf auf andere Männer.

Doch selbst für unsere Familie und Freunde, die bestimmt gut erzogen und vor allem uns wohlgesonnen sind, bringt ein Coming Out, das sich auf unsere Transidentität bezieht, direkt auch Fragen zur Sexualität mit sich. Nicht immer werden sie laut gestellt, aber da sind sie trotzdem. In vielen Gesprächen, die ich zu dem Thema geführt habe, kam die Frage etwas später dann doch:
„Sag mal, interessierst du dich denn auch für Männer, wenn du als Frau unterwegs bist?“

Eine einfache Frage, sollte man meinen. Und doch bringt sie mich in Schwierigkeiten. Die Antwort „Selbstverständlich nicht!“, die ich im Brustton der überzeugung geben könnte, ist zwar nicht falsch, doch ihre Hintergründe sind komplizierter, als es auf den ersten Blick scheinen mag.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass gerade wir Transgender die besten Chancen haben, das ewige Rätsel der Liebe zu lösen. Naja, vielleicht nicht wirklich es zu lösen, doch durch unsere Komplexität haben wir eventuell die Chance, dem Mysterium näher zu kommen als das anderen Menschen möglich ist.

Wir stellen nämlich Aspekte unseres Seins in Frage, die andere Menschen unreflektiert hinnehmen. Und weil wir das nicht aus Laune machen, sondern aus einem tiefen Bedürfnis, sind wir dabei sehr gründlich.

Die Liebe also. Wen begehren wir und warum?

Das verblüffende, an meiner Schwierigkeit zu antworten, ist wahrscheinlich die Tatsache, dass Menschen wie ich diese Schwierigkeit überhaupt haben. Wir haben Bruchstellen und damit auch Angriffsflächen für kritische Gedanken, wo bei anderen Menschen nur glatte Selbstverständlichkeit herrscht.
Man weiß doch, wen man begehrt, oder nicht?

Vor allem: sexuelle Orientierung wird allgemein als etwas so Unveränderliches wie die Augenfarbe angesehen. Homosexuelle konnten auch zu Zeiten, in denen Mann ihre Neigung noch strafrechtlich und medizinisch zu kurieren versuchte, nie „geheilt“ werden. Weder durch Medikamente, noch durch Therapien, noch durch Strafen.

Und dann kommen so Leute wie wir um die Ecke und sagen: „Als Mann begehre ich eindeutig Frauen, doch wenn ich selbst im weiblichen Modus bin, dann kann ich es gar nicht so genau sagen. Jedenfalls bin ich Männern dann nicht komplett abgeneigt …“

Und zumindest in Gedanken, manchmal auch in der Realität probieren die meisten von uns aus, wie es denn wäre, als Frau von einem Mann geliebt zu werden.

Was passiert da?
Wie lässt sich das erklären?

Erklärung 1: latente Homo- bzw. Bisexualität

Die Standarderklärung, der viele freudianisch geprägte Therapeuten mehr oder weniger offen anhängen. Es war schon immer in uns drin. Bloß ist diese Neigung durch Erziehung, Schuldgefühle usw. verschüttet oder verdrängt, wenn wir in männlicher Rolle agieren. Wir stehen aus welchen Gründen auch immer nicht zu unseren inneren Bedürfnissen und das ist uns teilweise nicht mal selber bewusst.

Es gibt sogar Vermutungen von Psychologen, die dahin gehen, dass unsere gesamte Transidentität aus dieser Situation zu erklären ist. Weil wir als Männer nicht in der Lage sind, ohne Schuldgefühle unsere Homo- oder Bisexualität zu leben, entwickeln wir eine weibliche Identität, der es gestattet ist, Männer zu lieben.

Persönlich halte ich diese Theorie für Unfug, denn ich habe schon weit bevor ich überhaupt wusste, dass es so etwas wie Sex gibt, an der Frage rumgegrübelt, wieso ich denn ein Junge bin und kein Mädchen.
Während ich die Begriffe hier gebrauche, stelle ich fest, dass die Eindeutigkeit, die sie üblicherweise haben, leidet, wenn man sie auf Menschen wie mich anwendet, deren Geschlecht durchaus variabel ist.
Also wie ist das genau?

Einschub: Was heißt bei transidenten Menschen überhaupt „homosexuell“?

Wenn ein Mann Männer begehrt oder eine Frau andere Frauen, dann ist er bzw. sie homosexuell.
Wenn ein genetisch männlicher Mensch in der sozialen Rolle und eventuell sogar mit dem Körper einer Frau Männer begehrt, was ist er bzw. sie dann? Worauf kommt es an, wenn man die sexuelle Orientierung festlegt? Auf die Chromosomen, die Identität, das Aussehen oder die Geschlechtsorgane? Je nach Kriterium erhalte ich eventuell eine andere Antwort.

Beispiel: jemand ist zwar genetisch männlich, aber fest überzeugt, im falschen Körper festzustecken und eigentlich eine Frau zu sein. Ist diese Person ein heterosexueller Mann oder eine Lesbe? Wenn man sagt, sie sei wegen des männlichen Körpers ein homosexueller Mann, ändert sich das, wenn sie sich einer geschlechtsanpassenden Operation unterzogen hat, hin zu lesbisch?

Der Begriff der sexuellen Orientierung ist untrennbar an die Festlegung gekoppelt, welches Geschlecht das begehrende Subjekt hat. Wenn das unklar wird, dann verlieren die Begriffe homo- und heterosexuell ihre Bedeutung.

Wichtig ist für mich im weiteren lediglich die Frage, wen man den eigentlich begehrt. Da die Frage nach dem „eigentlichen“ Geschlecht des bzw. der Begehrenden nur verwirrt und nichts zur Lösung beiträgt, lasse ich diesen Aspekt und damit auch die Begriffe homo- und heterosexuell weg.
Einschub Ende

In diesem Sinne neu formuliert lautet die Behauptung: transidente Menschen entwickeln die andersgeschlechtliche Identität nur deshalb, weil sei auf Grund von Schuldgefühlen ihre Neigung zum originär eigenen Geschlecht verdrängen. Und die in meinem Fall weibliche Identität ermöglicht mir, auch für Männer interessant zu sein und Männer frei von Schuldgefühlen zu begehren.

Wie gesagt, ich halte das aus meinem eigenen Erleben heraus für Unfug, doch wer wüsste besser als eine Trannie, dass wir uns selbst immer ein Rätsel bleiben werden.

Erklärung 2: Selbstbestätigung

Vielleicht ist es aber auch so, dass für uns die Männer nur Mittel zum Zweck sind. Das heißt, wir bilden uns nur ein, sie zu begehren, weil uns das etwas gibt, das uns sehr wichtig ist und das wir sonst nicht bekommen können.

Um zu erklären, was ich damit meine, muss ich etwas ausholen.

So weiblich wir uns seelisch als transidente Menschen auch fühlen mögen, körperlich sind wir Männer. Unser Körper teilt uns und unserer Umwelt mehr oder weniger deutlich mit, welches Geschlecht wir „eigentlich“ haben. Oder zu haben scheinen.

Doch wir fühlen uns als Frauen und versuchen, der gefühlten Weiblichkeit Ausdruck zu verleihen. Dabei haben wir zwei verschiedene Zielrichtungen. Zum einen die Umwelt. Der wollen wir, wenn wir gestylt sind, vermitteln, dass wir „eigentlich“ Frauen sind. Zum anderen und vor allem tun wir es um unserer selbst willen. Wir wollen uns selbst unsere Weiblichkeit erlebbar machen. Dazu nutzen wir Kleidung, Makeup, Brustprothesen und Perücken. Wir nutzen unsere Mitmenschen, von denen wir uns gerne als Frau ansprechen lassen und wir bemühen uns, uns weiblich zu verhalten.

Wir versuchen also durch weibliche Accessoires und weibliches Verhalten, die Frau in uns für uns selbst besser spürbar und erlebbar zu machen. Mehr noch, wir versuchen auch weiblichen Vorlieben und Interessen nachzuspüren und sie in uns zu entdecken. Und die „Standardfrau“, unser Rollenvorbild ist nun mal nicht die peppige Lesbe von nebenan, sondern die männerliebende, an Männern leidende, Männer begehrende heterosexuelle Frau.

Kleine Abschweifung: in diesem Bemühen und getrieben von dem Wunsch ein gefühltes Defizit zu kompensieren, übertreiben wir es manchmal. Wir überkompensieren. Lange Haare, kurze Röcke und das kritiklose Bedienen fast beliebiger weiblicher Stereotype, sind ziemlich typisch für unsereine!

„Man, I feel like a woman!“

Shania Twain

Männer sind ein wichtiger Teil der Lebenswelt von Frauen, so wie umgekehrt natürlich Frauen ein wichtiger Teil der Lebenswelt von Männern sind.

Zum Frausein gehört es nun mal mit dazu, sich mit Männern auseinanderzusetzen. Wenn ich mit meinen Freundinnen rede, dann sind Männer ein wichtiges Thema.

Tja, und wenn sie mir von ihren Gefühlen erzählen, dann versuche ich das nachzuempfinden. Wie ist es, einen Mann zu begehren oder von einem Mann begehrt zu werden?
Wenn ich ehrlich bin, dann ist es fast ausschließlich der zweite Aspekt, der mich emotional fesselt.

Fast, das heißt eben doch nicht ganz.

Begehre ich Männer?
Die meisten Frauen begehren Männer. Aber was ist mit mir?
Das ist die Gretchenfrage, denn an ihr entscheidet sich, meine sexuelle Orientierung. Stehe ich auf Männer, auf Frauen oder sogar auf beide.

Wenn ich in männlichem Modus bin, dann ist die Antwort einfach! Nein! Da ist überhaupt nichts, was mich auf sexueller Ebene anspricht. „Tote Hose!“

Wenn überhaupt, dann empfinde ich nur in weiblichem Modus etwas für Männer. Und auch dann ist es nicht einfach so, dass mich ein schöner Männerkörper direkt erregt. Es ist etwas komplexer. Er erregt mich nur insoweit, als ich ihn als das Gegenstück zu mir empfinde.

(Okay, ich weiß, dass das Folgende ein wenig nach Wahnsinn, zumindest aber der höheren Kunst des Selbstbetruges klingt, doch für mich gehört ein wenig Autosuggestion untrennbar zum Wechsel auf die weibliche Seite. Versuche einfach, mir zu folgen, auch wenn es etwas wirr wirkt)

Wenn ich mich weiblich fühle, dann fühle ich mich auch weich und zart und ich sehne mich nach dem anderen, nach einem Menschen, der das hat, was ich gerade an mir selbst nicht spüre: Rauhheit, Härte, starke Muskeln. Die Tatsache, dass ich all das faktisch selber habe und mir mühsam wegretuschiere, ändert nichts daran, dass ich es in dem Moment als etwas Fremdes, mich ergänzendes empfinden kann. Letztendlich kann ich mich dadurch weiblich fühlen, dass ich Eigenschaften, die ich zwar selbst habe, an mir negiere und an anderen suche. Denn dass ich sie woanders suche, bedeutet doch irgendwie, dass ich selbst nicht habe, oder?

Ich rede mir also die Begehrlichkeit von Männerkörpern eher an, als ich sie originär empfinde. Das spontane „Wasserzusammenlaufen im Mund“, das ich bei meinen Freundinnen wahrnehme, wenn ein attraktiver Mann in ihr Blickfeld gerät, kann ich nur indirekt nachempfinden.

Ist das, was ich da beschrieben habe, ein originäres, auf das „Sexobjekt Mann“ gerichtetes Begehren?
Nicht im engen bzw. üblichen Sinne.

Von Männern begehrt werden

Zu den Aspekten, die Lebenswelt einer Frau prägen und für ihr Gefühl eine Frau zu sein wichtig sind, gehören nun auch mal die Männer. Genauer: es gehört dazu, von Männern sexuell begehrt zu werden. Vieles was Frauen tun oder lassen hat seine Erklärung darin, dass Frauen nun mal von Männern begehrt werden.

Und hier rede ich nicht bloß von Dingen, die Frauen tun oder lassen, um begehrenswert zu erscheinen, sondern ebenso davon, dass Frauen manches tun oder lassen, um der Aufmerksamkeit von Männern keinen Anhaltspunkt zu geben. Als Beispiel für den zweiten Aspekt lassen sich die speziellen Frauen-Fitnessclubs nennen. Frauen möchten nun mal nicht, dass sie beim Hanteltraining dauernd das Gefühl haben müssen, dass ihnen ein Mann auf die Brüste starrt

Doch zurück zu den angenehmen Aspekten des begehrt Werdens.

Wenn mir jemand vermittelt, dass er mich als Frau schön findet, dann kann ich das unmittelbar genießen. Jemand gibt mir Zuwendung, findet mich toll, findet mich schön, findet mich sexuell attraktiv. Jemand findet mich weiblich!

Das ist es doch. Durch die Augen eines anderen realisiert sich in mir ein Stück originäre Weiblichkeit. Als Frau begehrt werden! Das ist zumindest ein Aspekt dessen, was eine Frau zur Frau macht. Und ich kann daran durch das Begehren eines Mannes teilhaben.

Vielleicht ist es dir gerade aufgefallen: Es geht alles nur um mich. Das ist doch mal wieder typisch Trannie, alles dreht sich immer nur um uns selbst.

Doch ganz so fremd ist dieser Aspekt auch den biologischen Frauen nicht. Die Konkurrenz unter Frauen wird häufig auf diesem Feld ausgelebt.

Männer leben ihre Männlichkeit tendenziell eher durch direkte Konkurrenzkämpfe, also Kräftemessen mit dem Kontrahenten aus. Der Stärkere ist der Gewinner – am besten wird das symbolisiert durch Armdrücken. Männlichkeit wird in Stärke bzw. Überlegenheit gemessen.

Bei Frauen ist das anders und etwas komplizierter. Die körperlich stärkere ist nicht die bessere Frau. Wie wird dann aber Weiblichkeit gemessen? Nach welchem Kriterium bestimmt sich der gesellschaftliche „Marktwert“ von Frauen?

Was Stärke für Männer ist die Schönheit für Frauen. Doch wie misst man weibliche Schönheit? Wonach bestimmt sich, wer schön ist und wer hässlich?

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Schönheitsideale stark verändert, doch eines ist konstant geblieben: Der Maßstab für die durch Schönheit symbolisierte Weiblichkeit ist Attraktivität. Attraktivität für Männer! Die beste, weiblichste Frau ist die, die für Männer am attraktivsten ist. Deshalb geht es auch den biologischen Frauen nicht nur, manchmal nicht mal vor allem darum, tatsächlich den oder die Männer zu erobern, für die sie attraktiv sein wollen, sondern sie wollen anderen Frauen und vor allem sich selbst bestätigen, dass sie „richtige“ Frauen sind.

So wie Männer ihre Kräfte messen, um daraus Selbstbewusstsein zu ziehen, so ziehen Frauen ihr Selbstbewusstsein aus ihrer Attraktivität für Männer.

Ich bin da mit meiner weiblichen Seite nicht anders. Attraktivität für Männer gibt mir die Bestätigung, dass ich tatsächlich sein kann, was ich zu sein wünsche: eine Frau.

Aus diesem Grund ist das Spiel mit der Attraktivität für Männer für uns, die wir gerne Frauen sein möchten, plötzlich ein relevanter Faktor der Selbstbestätigung. Wir begehren insoweit Männer nicht um ihrer selbst willen, sondern um unseretwillen.

Erklärung 3: Erfahrungen machen

„Wenn du nie was mit einem Mann gehabt hast, dann fehlt dir eine wichtige, weibliche Erfahrung!“ Das hat mir keine bisexuelle Transe gesagt, sondern eine „normale“ Frau, eine meiner Freundinnen.

Profan betrachtet ist der Kontakt zu einem Mann in weiblicher Rolle nichts anderes als eine typische Erfahrung, die Frauen nun mal machen. Von einem Mann umarmt, gestreichelt, geküsst und eventuell auch geliebt zu werden. Okay, beim letzten Punkt gibt es biologische Hindernisse. Da muss man Kompromisse eingehen. Aber der Rest? Das geht wunderbar, wenn man es mag und den passenden Partner dazu findet.

Die Erfahrungen, die Frauen mit Männern machen, sind für sie wichtig und prägen ihre Sicht der Welt.

Es ist eine beliebte weibliche Attitüde, sich auf Basis der Erfahrungen, bei denen man sich mit den anderen Frauen, die diese auch haben auf einer gemeinsamen Ebene wähnt, die Augen zu verdrehen und in mehr oder weniger verzweifeltem, manchmal auch sehnsüchtigem Tonfall „Männer!“ zu sagen. Und hinter diesem einen Wort steht dann die geballte, jahrelange Erfahrung von Frauen, mit diesem anderen Typus Mensch.

Also ist es nur konsequent, wenn wir Transgender, die versuchen, alle möglichen Aspekte der Weiblichkeit für uns zu adaptieren, auch diese Erfahrungen machen wollen. Die Erfahrungen von Frauen mit Männern.

Männer als Sexualpartner oder doch zumindest als Werbende zu in weiblicher Rolle zu erleben und so selbst zu fühlen, wie es ist, wenn man für einen Mann nicht Kumpel oder Konkurrent, sondern Objekt der Begierde ist.

Die Erklärungen 2 und 3 (Erklärung 1 lehne ich, wie bereits begründet, ab) sind meiner Meinung nach einzeln und in Kombination schon eine tragfähige Begründung dafür, warum es sein kann, dass frauenbegehrende aber transidente Männer in weiblichem Modus plötzlich aufgeschlossen dafür werden, sich für Männer zu interessieren und dem Interesse von Männern offener gegenüber zu stehen, als sie das sonst täten.

Der Pragmatismus der Liebe

Doch es gibt noch einen weiteren Faktor. Ich habe ihn bisher nicht erwähnt, weil er nicht eigenständig wirkt, sondern lediglich verstärkend. Diesen Faktor nenne ich Verstrickung.

Damit ist in diesem Zusammenhang gemeint, dass man ein Spiel mit steigendem Einsatz weiterspielt bzw. weiterspielen muss, wenn man sich darauf eingelassen hat, es zu beginnen.

Wie funktioniert das?

Wenn man überhaupt und grundsätzlich die erotische Interaktion mit Männern zugelassen hat, dann hatman sich schon ein wenig verstrickt. Wer einmal lächelnd zurückgeguckt hat, der provoziert und ermutigt weitere Zuwendung. Und wenn man Zuwendung (ein Lächeln, ein Kompliment, einen Drink …) bekommt, dann kann man doch nicht böse sein. Es ist schwer, jemanden zurückzuweisen, der einem schmeichelt und einem Bedürfnisse erfüllt. Ein wenig Freundlichkeit und Zuwendung zurückgeben, das ist doch nur fair!

Und so werden wir in weiblicher Rolle einfach durch den Druck der Situation anders reagieren, als wir das als Mann täten und biegen so weiter und weiter vom Pfad männlichen Verhaltens ab. Wir passen uns, soweit wir das nicht komplett ablehnen, ein Stück den Erwartungen an uns an. Und plötzlich erwischen wir uns selbst dabei, wie wir uns gut dabei fühlen (denn wir werden ja in unserer Rolle bestätigt), wenn uns ein Mann berührt und küsst und vielleicht fangen wir dann sogar an uns mehr zu wünschen.

Die Anziehungskraft zwischen den Geschlechtern hat primär natürlich etwas damit zu tun, was wir begehren. Doch wenn uns jemand begehrt und uns angenehme Gefühle verschafft, dann kann auch das in uns den Wunsch nach mehr davon wecken. Wir begehren den anderen, weil er uns etwas gibt, was uns gut tut.

Es ist echt schwer, jemanden abzulehnen oder gar eklig zu finden, der einen mit Zuwendung beschenkt. Jedenfalls dann, wenn er nicht komplett unsympathisch ist. Doch wäre er das wirklich, hätten wir ja ganz am Anfang nicht zurückgelächelt, oder?

Wo sind die Grenzen?

Die individuellen Grenzen dabei sind so verschieden wie die einzelnen Persönlichkeiten. Vom Flirt auf Distanz über den Austausch von Zärtlichkeiten bis hin zur echten, dauerhaften Liebesbeziehung ist alles möglich.

Meine eigenen Grenzen habe ich nie ausgetestet. Und zwar nicht, weil ich es überhaupt ablehne, an Männer zu denken oder weil ich Angst hätte.

Nein. Angst habe ich, wenn überhaupt, nur davor, dass es mir gefallen könnte und ich mein Selbstbild und meine Lebensweise gründlich neu überdenken müsste. Doch wie bei so vielen anderen Dingen in meinem Leben würde ich das dann halt tun, wenn es nötig wäre.

Der wirkliche Grund ist ein anderer: ich bin meiner Frau treu.

So wenig, wie ich dafür Verständnis hätte, wenn sie mit anderen Männern „rummachen“ würde, so wenig erlaube ich mir. Wo ich von meiner Frau erwarten würde, dass sie beim Flirten eine Grenze zieht, da ziehe auch ich eine Grenze für mich. Und zwar in männlicher Version, was den Flirt mit Frauen angeht, ebenso wie als Frau.

Wäre ich ungebunden … wer weiß. Doch das bin ich nun mal nicht.
Punkt.

Zusammenfassung

Transidentität und sexuelle Orientierung sind grundsätzlich getrennt voneinander zu betrachten. Gleichwohl hat die Identifikation mit einem Geschlecht auch immer eine sexuelle bzw. erotische Komponente, die das Selbstbild und das Verhalten beeinflusst.

Körperlich männliche Transgender müssen nicht unbedingt homo- oder bisexuell sein, um dem erotischen Kontakt zu Männern etwas abgewinnen zu können. Es kann schon vollkommen ausreichen, dass wir uns dadurch besser fühlen. Und „besser“ heißt in diesem Fall „weiblich“.

Querverweise

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