Kommentierung eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes
Während für die meisten Beschäftigten in Deutschland gilt, dass sie nur informellen Kleiderordnungen unterworfen sind, sieht die Sache für Beamte anders aus. Sie unterliegen den beamtenrechtlichen Vorschriften, zu denen, wenn sie Uniformträger sind, teils auch dezidierte Kleidervorschriften gehören. Und über die Frage der vorgeschriebenen Bekleidung hinaus geht es um das gesamte Erscheinungsbild des Beamten bzw. der Beamtin.
Die Frage, wie Beamte im Dienst aussehen dürfen, ist natürlich besonders für diejenigen besonders interessant, bei denen sich unter der männlichen Oberfläche eine Frau verbirgt, die sich auch optisch ausdrücken möchte.
Ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes hat mir diese Problematik vor Augen geführt und ich möchte Teile des Urteilstextes im Hinblick auf die spezifischen Probleme transidenter Menschen kommentieren.
Klarstellender Hinweis: es handelt sich bei der folgenden Urteilskommentierung lediglich um eine kursorische Auseinandersetzung mit der rechtlichen Seite der Thematik. Einige Rechtsprobleme reiße ich nur an, ohne zu einer „belastbaren“ juristischen Lösung zu kommen.
Gericht: BVerwG 2. Senat
Entscheidungsdatum: 02.03.2006
Aktenzeichen: 2 C 3/05
Sachverhalt in Kürze
In dem Urteil ging es um die Haarlänge eines uniformierten Polizisten.
In einem Rundschreiben des zuständigen rheinland-pfälzischen Innenministeriums aus dem Mai 2003 hieß es in Bezug auf die Haar- und Barttracht, unzulässig seien besondere Auffälligkeiten, insbesondere solche, die in Form, Länge, Gestaltung oder Farbgebung als Ausdruck einer ausgeprägt individualistischen Haltung oder Einstellung zu empfinden seien (Nr. 3.1.1 Satz 1 des Rundschreibens). Bei uniformierten Polizeibeamten sei eine deutlich über den Hemdkragen reichende Haarlänge mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar (Nr. 3.1.1 Satz 3). Insbesondere Polizeibeamtinnen müssten die Haare so tragen, dass sie keine erhöhten Angriffsmöglichkeiten böten (Nr. 3.2).
Der Vorgesetzte des Klägers gab dem Beamten auf, seine Haarlänge den Vorgaben des Rundschreibens anzupassen. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wie auch Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Erst die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht war erfolgreich.
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Dieses Verbot langer Haare greift
in das Recht der betroffenen Beamten auf freie Entfaltung der Persönlichkeit
gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ein. Es beschränkt deren von Art. 2 Abs. 1 GG umfasstes
Recht, über die Gestaltung der äußeren Erscheinung auch im Dienst
eigenverantwortlich zu bestimmen ( BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Januar 1991
– 2 BvR 550/90 – NJW 1991, 1477 ; BVerwG, Urteile vom 25. Januar 1990 – BVerwG
2 C 45.87 – BVerwGE 84, 287 <291> und vom 15. Januar 1999 – BVerwG 2 C
11.98 – Buchholz 237.1 Art. 83 BayLBG Nr. 1 = NJW 1999, 1985 ).
Das ist der Grund dafür, dass der Beamte letztlich Recht bekam. Die ganze Thematik ist im Spannungsfeld zwischen dem Grundrecht des Beamten auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und den Möglichkeiten diese aus Interessen des Staates an einer angemessenen Repräsentation durch seine Bediensteten angesiedelt. Es ist die alte Frage: Wie stark darf der Staat in die Grundrechte seiner Beamten eingreifen?
Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem Rundschreiben des Innenministeriums keine wirksame Beschränkung des Grundrechtes gesehen.
Im folgenden hat sich das Gericht sehr intensiv damit auseinandergesetzt, wo Individualität ggf. der Staatsräson weichen muss und wo nicht.
Das ist natürlich auch für uns transidente Menschen interessant, für die Crossdressing nicht bloß Spaß, sondern vor allem Ausdruck unserer Seelenlage ist.
Die genaue juristische Herleitung durch das Gericht spare ich mir und springe direkt zu den interessanten Ergebnissen.
Für juristisch Interessierte nur ein wenig Hintergrund.
Auf der einen Seite haben wir die Persönlichkeitsrechte von Beamten, die grundrechtlich insbesondere durch Art. 2 Abs. 1 GG garantiert sind. Auch die Gleichheitsgarantie des Art 3 GG und das Gleichheitsrechte näher konkretisierende AGG sind hier beachtlich.
Auf der anderen Seite haben wir beamtenrechtliche Regelungen, die grundrechtseinschränkend wirken können. Dies ist zum einen die Generalklausel des § 54 Satz 3 BBG (die sich inhaltsgleich auch in den Beamtengesetzen der Länder findet) und den Beamten allgemein zu Verhalten verpflichtet, dass „der Achtung und dem Vertrauen gerecht“ wird, die sein Beruf erfordert. Beides übrigens nicht nur im Dienst, sondern auch im Privatleben. Darüberhinaus gibt es Spezialregelungen, zB. zu Dienstkleidung, üblicherweise untergesetzlich in Form von Verwaltungsvorschriften.
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… Daraus folgt, dass jede
Ausgestaltung der Grundpflichten zu einem konkreten Ge- und Verbot durch
dienstliche Erfordernisse gerechtfertigt sein muss. Zudem ist die Wirkung der
meisten Bestimmungen, insbesondere der im Mittelpunkt stehenden Pflicht zum
Tragen der Dienstkleidung, auf die Dienstzeit beschränkt und wird durch die
Sachnotwendigkeiten der jeweiligen Aufgaben vorgegeben.
Dieser Satz ist wichtig und von allgemeiner Gültigkeit. Jede Beschränkung der Individualität eines Beamten ist kein Selbstzweck, sondern muss auf Sachnotwendigkeiten aus seiner Tätigkeit begründet sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Auswirkungen der Beschränkung über die Dienstzeit hinaus reichen.
Was sind nun die möglichen Begründungen für eine wirksame Beschränkung der individuellen Freiheit von Beamten?
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Eine Beschränkung des
Erscheinungsbildes uniformierter Polizeibeamter ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
vereinbar, wenn sie geeignet und erforderlich ist, um dienstliche
Erfordernisse, nämlich die mit der Uniformpflicht verfolgten Zielsetzungen, zu
fördern, und die Grenzen der Zumutbarkeit für die Betroffenen wahrt (vgl.
BVerfG, Beschlüsse vom 16. März 1971 – 1 BvR 52, 665, 667, 754/66 – BVerfGE 30,
292 <316> und vom 9. März 1994 a.a.O. S. 172). …
Mit anderen Worten: die Freiheit der Betroffenen kann nur aus wichtigen Gründen eingeschränkt werden. Sie muss nachvollziehbare Gründe haben und muss verhältnismäßig sein.
Wenn die Regeln für Uniformträger schon so restriktiv sind, dann gilt das übrigens für „zivile“ (also nicht-uniformtragende) Beamte um so mehr.
Im nächsten Absatz konkretisiert das Gericht, was diese Aussage bedeutet.
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Danach ist die Einschätzung der
obersten Dienstbehörde, eine Vorgabe für das äußere Erscheinungsbild diene
dienstlichen Erfordernissen, regelmäßig nur auf offensichtliche
Fehlerhaftigkeit zu überprüfen, wenn die Beschränkung nur für die Dienstzeit,
nicht aber für das Erscheinungsbild außerhalb des Dienstes Bedeutung hat. Denn
der Eingriffsgehalt derartiger Regelungen ist zumeist schon deshalb gering,
weil sie in der privaten Sphäre nicht fortwirken. Demgegenüber beeinflussen
Regelungen für die Gestaltung der Haar- und Barttracht zwangsläufig die private
Lebensführung. Sie nehmen Beamten die Möglichkeit, eigenverantwortlich darüber
zu bestimmen, wie sie als Privatpersonen wahrgenommen werden wollen. Der Zwang
zu einem unerwünschten, vielleicht sogar innerlich abgelehnten Aussehen kann
das psychische und soziale Wohlbefinden beeinträchtigen. Zudem springt die
Haar- und Barttracht anderen sofort ins Auge; sie kann deren Eindruck prägen
und ihr Verhalten bestimmen. Daraus folgt, dass die Einschätzung der obersten Dienstbehörde,
Vorgaben für die Haar- und Barttracht seien aus dienstlichen Gründen geeignet
und erforderlich, auf plausible und nachvollziehbare Gründe gestützt sein muss.
Das sind relativ komplizierte Ausführungen, die ich etwa so zusammenfassen würde: Während Vorgaben über das Erscheinungsbild , die nur während der Dienstzeit wirken, lediglich einer gerichtlichen Kontrolle auf grobe Fehler unterliegen, sind die Regeln für Vorschriften, die in das Privatleben hinweinwirken, strenger zu beurteilen. Hier haben im Zweifel die Persönlichkeitsrechte den Vorrang. Das hatte zB auch schon der VGH Kassel in einer Entscheidung v. 16.11.1995, AZ 1 TG 3238/95 am Beispiel eines sog. „Lagerfeld-Zopfes“ festgestellt.
Im nächsten Absatz beginnt das Bundesverwaltungsgericht damit zu erläutern, was denn nun tragfähige „dienstliche Gründe“ sein können.
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Die Verpflichtung von
Polizeivollzugsbeamten, im Dienst die vorgeschriebene Uniform zu tragen, ist
vor allem durch das Erfordernis gerechtfertigt, die Legitimation der Beamten
für polizeiliche Maßnahmen äußerlich kundzutun. Die Uniform ist sichtbares
Zeichen für die Ausstattung ihrer Träger mit hoheitlichen Befugnissen (Urteil
vom 15. Januar 1999 a.a.O.). Dieser Zweck der Uniformpflicht wird aber
regelmäßig bereits durch das Tragen der Uniform erreicht. …
Das Gericht erläutert, wozu Uniformen gut sind und erklärt, dass die Uniform alleine normalerweise schon Zeichen genug für die Legitimation des Beamten ist und folglich weitere optische Signale (hier: kurze Haare) nicht nötig sind. Das könnte man bei frecher und tendenziöser Interpretation so deuten, dass ein uniformierter Beamter durchaus feminin geschminkt sein darf….
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Weiterhin soll die Uniform die
Neutralität ihrer Träger zum Ausdruck bringen. Sie soll sichtbares Zeichen
dafür sein, dass die Individualität der Polizeivollzugsbeamten im Dienst hinter
die Anforderungen des Amtes zurücktritt. Polizeiliche Maßnahmen sollen
losgelöst von der Person der handelnden Beamten als Maßnahmen des Staates
empfunden werden. Dieser durch die Uniform vermittelte Anschein der Neutralität
kann durch ein Erscheinungsbild uniformierter Polizeibeamter beeinträchtigt
werden, das die Individualität übermäßig hervorhebt und daher aus dem Rahmen
des Üblichen fällt. Solche Erscheinungsformen, die geeignet sind, die
Neutralitätsfunktion der Uniform in Frage zu stellen, kann der Dienstherr durch
generelle und einheitliche Vorgaben untersagen.
Das ist jetzt ein kritischer Aspekt. Beamte agieren nicht als Person, sie sind Botschafter staatlichen Willens. Insofern ist zum Ausdruck gebrachte Indiviualität natürlich problematisch. Dass die gewünschte Neutralität des Amtswalters eventuell angezweifelt wird, wenn dieser sich sehr individualitätsbetont stylt, dem muss man wohl zustimmen (auch wenn man diese Vermutung, wie ich z.B., falsch findet).
Die nächste schwierige Frage folgt sogleich: Nach welchem Maßstab wird „übermäßige Individualtät“ gemessen? Kommt es auf die Konservativsten an? Auf die Flippigsten? Auf die Meinung der Mehrheit? Tja…
Bei der danach gebotenen Ermittlung des Rahmens des Üblichen hat sich der Dienstherr an den Anschauungen zu orientieren, die in der heutigen pluralistischen Gesellschaft herrschen; er darf sich einem Wandel dieser Anschauungen nicht verschließen. Daher kann er ein gesellschaftlich weitgehend akzeptiertes Aussehen nicht schon deshalb untersagen, weil er es ungeachtet der veränderten Verhältnisse weiterhin für unpassend, unästhetisch oder nicht schicklich hält (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Januar 1991 a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1999 a.a.O.).
Ich finde es bemerkenswert und wichtig, dass das Gericht bei der Beurteilung, was okay ist und was nicht mehr, dezidiert auf die Verhältnisse einer pluralistischen Gesellschaft abstellt, Das heißt auf jeden Fall, Beamte müssen sich mit ihrem Aussehen nicht an stockkonservativen Leitbildern orientieren. Fraglich ist jedoch, wo „gesellschaftlich weitgehend akzeptiertes Verhalten“ endet. Wirklich gelöst hat das Bundesverwaltungsgericht den Knoten nicht. Was wäre z.B., wenn ein Beamter darauf besteht, zur Uniform einen Rock zu tragen?
Das Gericht erläutert weiter
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Danach fallen Erscheinungsformen
aus dem Rahmen des Üblichen und sind geeignet, die Neutralitätsfunktion der
Polizeiuniform zu beeinträchtigen, die unter Berücksichtigung der
gesellschaftlichen Anschauungen als unkorrekt oder unseriös anzusehen sind.
Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn sie die Mehrheit der Bevölkerung für
die eigene Person ablehnt oder allgemein nicht für vorteilhaft hält. Vielmehr
kann eine Erscheinungsform erst dann als unkorrekt oder unseriös gelten, wenn
so auftretende Personen von weiten Kreisen der Bevölkerung ausgegrenzt werden
oder ihnen doch Vorbehalte der Art begegnen, die erwarten lassen, dass sie bei
der Amtsausübung nicht ernst genommen werden oder ihnen das dabei erforderliche
Vertrauen nicht entgegengebracht wird. Unter dieser Voraussetzung können
uniformierte Polizeibeamte verpflichtet werden, auf ein bestimmtes
Erscheinungsbild zu verzichten. In Zweifelsfällen kann die oberste
Dienstbehörde von ihrem Einschätzungsspielraum Gebrauch machen.
Jetzt wird es näher erklärt: „Unkorrekt oder unseriös“ ist die Grenze!. Dafür genügt es nicht schon, dass die Mehrheit „so nicht rumlaufen“ würde. Es müssen konkrete Vorbehalte gegen das Aussehen bestehen.
Das Gericht gibt auch eine Begründung: weil die eventuell als nicht vertrauenswürdig angesehen werden oder sogar nicht ernst genommen werden. Ein guter Punkt.
Ich habe den Verdacht, dass das der entscheidende Haken für crossdressende Beamte ist.
Zumindest für uniformierte Polizeibeamte bedeutet dies: ihnen kann das Tragen einer männlichen Uniform aufgezwungen werden, und zu Makeup-Verzicht können sie sowieso verpflichtet werden.
Wie gesagt, das gilt für Uniformträger! Für nichtuniformierte Beamte ist das Argument zwar übertragbar, aber dort wirkt es schwächer. Für Beamte im Innendienst läuft es sogar leer, die können (wenn sie sich trauen) anziehen, was sie wollen.
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Das Verbot gemäß Nr. 3.1.1 Satz 3
des Rundschreibens wird auch nicht durch das Bedürfnis nach angemessener
Repräsentation des Staates durch uniformierte Polizeivollzugsbeamte
gerechtfertigt. Zwar kann der Dienstherr besondere Anforderungen an das
Erscheinungsbild von Beamten stellen, die verpflichtet sind, Uniform zu tragen.
Denn hier besteht in erhöhtem Maße die Möglichkeit, dass durch ein aus dem
Rahmen fallendes Erscheinungsbild eine Ansehensminderung hervorgerufen wird.
Demnach können Verbote von Erscheinungsformen aus Gründen der Repräsentation
gerechtfertigt sein, wenn sie geeignet und erforderlich sind, um einer
Ansehensbeeinträchtigung vorzubeugen. Dabei ist auf den Aufgabenbereich
abzustellen. Auf ein gleichförmiges Erscheinungsbild uniformierter Beamter kann
der Dienstherr nur hinwirken, wenn diesen – wie etwa den Angehörigen eines
Musikkorps oder eines Wachbataillons – unmittelbar repräsentative Aufgaben
zugewiesen sind. Dies ist beim Polizeivollzugsdienst nicht der Fall. Ansonsten
vermag auch das Interesse an einer angemessenen staatlichen Repräsentation in
der pluralistischen Gesellschaft nur das Verbot von Erscheinungsformen zu
rechtfertigen, die in der Weise aus dem Rahmen des gesellschaftlich Üblichen
fallen, dass sie nach den herrschenden gesellschaftlichen Anschauungen als
unkorrekt oder unseriös gelten. …
Ein letztes Argument: Beamte repräsentieren den Staat.
Doch auch hier gilt nichts anderes als vorher. Solange die Erscheinung nicht unkorrekt oder unseriös ist, gibt es keine Rechtfertigung für Verbote.
Die Gretchenfrage für unsereine lautet also:
Ist ein Beamter, der Kleidung und Styling trägt, die für eine Frau korrekt und seriös wären, wenn er ein Mann ist, „unkorrekt und unseriös“ gekleidet?
An dieser Stelle fällt es mir sehr schwer, neutral zu argumentieren, denn ich bin parteiisch.
Die engagierte Transgender mit feministischen Sympathien ruft: Es kann nicht sein, dass Frauenkleidung nur dadurch unseriös wird, dass sie von einem Mann getragen wird. Das ist unlogisch bzw. wenn es so wäre, dann wäre das ein Beleg für den Fortbestand der Ungleichheit von Mann und Frau in unserem angeblich die Gleichheit garantierenden Rechtssystem.
Die Juristin (und Realistin) in mir sagt: Quatsch, das hat etwas mit gesellschaftlicher Realität zu tun. Weil Männer nun mal Frauenkleidung meiden (während umgekehrt Frauen keine Berührungsängste haben), ist ein Mann ein Frauenkleidung etwas Ungewöhnliches. Und diese Seltenheit, macht den Mann auffällig und weil es auffällig ist, ist es unkorrekt.
Bei näherer Überlegung neige ich, auch wenn meine Sympathien bei der ersten Argumentation liegen, doch der zweiten Argumentation zu.
Das bedeutet konkret, dass in so weit das Grundrecht des Beamten auf freie Entfaltung der Persönlichkeit wegen entgegenstehender Interessen des Staates wirksam eingeschränkt werden kann.
Wobei dies zwar logisch und vernünftig klingt, jedoch bei unterschiedlichen Fallgruppen zu seltsamen Unterschieden führen kann.
Fall A: ein Beamter, der grundsätzlich seine männliche Seite beibehalten will, möchte zumindest ab und zu feminin gestylt seinen Dienst tun. Das könnte ihm verboten werden.
Fall B: ein Beamter ist transsexuell und ändert seinen Personenstand. Dieser Beamtin könnte das Tragen femininer Kleidung auch dann nicht verboten werden, wenn sie optisch auffälliger ist als unser Beamter in Fall A.
Für den Bürger, der mit Beamtem A oder Beamtin B in Kontakt kommt, ist ein Unterschied zwischen dem Rechtsstatus der beiden nicht ersichtlich! Die Wirkung ist folglich auf diesen die gleiche.
Warum in dem einen Fall die freie Entfaltung der Persönlichkeit geschützt ist und im anderen nicht, ist mir nicht einsichtig. Da es im Kern um die Wirkung auf den Bürger geht, kann eigentlich das Verhalten der jeweiligen Beamt/in in den beiden Fällen nicht unterschiedlich gewürdigt werden.
Zusammenfassend
Beamte müssen, wenn es ums Funktionieren als Teil des Staates geht, Einschränkungen ihres Rechtes auf freie Entfaltung der Persönlichkeit hinnehmen.
Die Zeiten in denen man Beamte wegen des Tragens von Ohrringen oder wegen privaten Fehlverhaltens noch disziplinarisch verfolgt hat sind zwar noch nicht so lange her, aber zum Glück endgültig vorbei.
Zivile Beamte und erst recht solche, die in ihrem Job keine Kontakte mit den Bürgerinnen und Bürgern haben, können sich so kleiden und stylen, wie sie wollen. Tragfähige dienstliche Bedürfnisse, die ihrer grundrechtlich geschützten persönlichen Freiheit entgegenstehen, sind kaum zu begründen.
In Zeiten des AGG kann dieses auch möglichen Einschränkungen entgegengehalten werden.
Dass der Beamte, der darauf besteht als Mann Frauenkleidung zu tragen, dann voraussichtlich trotzdem größere Schwierigkeiten haben wird, die nächste Beförderung zu kriegen, hat natürlich nichts mit Benachteiligung zu tun, sondern streng sachliche Gründe!
Für zivile Beamte mit Bürgerkontakten (z.B. auch Lehrer) wird man letztendlich hinnehmen müssen, was diese als Ausdruck ihrer Individualität ansehen. Sie werden es zwar schwer haben, doch eine tragfähige Begründung, Ihnen bestimmte Kleidung vorzuschreiben, gibt es nicht.
Für Uniformierte gelten strengere Regeln. Bei ihnen muss die Person deutlich hinter der Funktion zurücktreten. Doch auch für sie hat das Bundesverwaltungsgericht Freiräume definiert, die in der Vergangenheit noch undenkbar gewesen wären
Ach ja, da es sich um einen rechtlichen Artikel handelt, ein abschließender Rechtshinweis.
© Jula 2007