Crossdressing gab es schon immer. Und immer wieder sind Menschen dadurch in unglückliche Situationen geraten.
Weil Männer in Frauenkleidern so sensationell waren, schafften die Betroffenen es oft sogar in die Zeitungen. Besonders an dem Fall ist die phantasievolle Geschichte, wie es zu der Kleidung kam.
Weil nicht alle gut Fraktur lesen können, hier noch die Transkription:
(Ein Bahnwärter als Ziegenmelkerin.)
Auf der nassauischen Staatsbahn hat sich vor kurzem Folgendes ereignet: Ein Bahnwärter bewohnt bei Abtshausen mit seiner Ehefrau das Wärterhäuschen; in einem angebauten Stalle wird eine Ziege gehalten. Die Frau wird durch Unwohlsein an das Bett gefesselt, und der Mann muss demzufolge neben dem Bahndienst die Haushaltung übernehmen, wozu auch das Melken der Ziege gehört. Diese will sich aber von ihm nicht melken lasten, sondern stößt und gebehrdet sich so, daß alle Bemühungen fruchtlos bleiben. In der Noth zieht der Mann auf den Rath seiner Ehehälfte deren Kleider an, einen kurzen hessischen Rock. Kamisol und Haube. Dies Mittel hilft; die Ziege läßt sich täuschen und gibt sich willig zum Melken her. Während der Mann in Arbeit ist, kommt plötzlich ein Zug angebraust; der Bahnwärter springt hinaus und präsentiert, als Weib verkleidet, in straffer Haltung die Fahnenstange. Zur Anzeige gebracht, gibt er die Thatumstände der Wahrheit gemäß an; der Direktion erscheinen dieselben aber so wenig glaublich, daß sie den Mann nach Wiesbaden zitiert, um ihn selbst zu vernehmen. Dort ist es ihm denn durch die Treuherzigkeit seines Vortrages gelungen, sich Glauben zu verschaffen; er hat als einzige Strafe die Weisung erhalten, künftig das Geschäft des Ziegenmelkens nur dann zu betreiben, wenn kein Zug zu erwarten ist.
Dieses wunderbare Fundstück stammt aus dem Werschetzer Gebirgsboten im September 1863.
Ich verdanke es der unermüdlichen Archivrecherche meiner lieben Freundin Clara.
Ich glaube übrigens auch, die Ziege wollte, dass er die Kleidung trägt.
© Jula Böge 2020