Warum verdienen Frauen weniger Geld?
Gender Pay Gap (GPG)
Als GPG (deutscher Begriff: geschlechtspezifischer Lohnunterschied) bezeichnet man den statistischen Verdienstunterschied von Männern und Frauen. Die schlechtere Bezahlung von Frauen ist ein internationales Phänomen, das aber auch in Deutschland relevant ist.
Historisch betrachtet war die geringere Bezahlung von Frauen der Standard. Es gab spezielle Frauenlohngruppen oder auch Lohnabschlagsklauseln, die dazu führten, dass Frauen bei gleicher Arbeit deutlich weniger Lohn erhielten als Männer. Diese Praxis gab es auch in der Bundesrepublik Deutschland. 1955 entschied das Bundesarbeitsgericht, dass ungleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit gegen Art. 3 GG verstößt. Das hatte jedoch nicht zur Folge, dass Frauen gleich bezahlt wurden, sondern dass von den Tarifvertragsparteien sog. „Leichtlohngruppen“1) eingeführt wurden. Damit wurde die Bezahlung nicht (was Ungleichbehandlung wäre) am Geschlecht festgemacht, sondern an der Arbeit, die zu leisten war. In der Praxis war diese sog. „leichte“ Arbeit hauptsächlich Frauen vorbehalten und wurde niedriger bezahlt. Erst in den 70er Jahren verschwanden auf Druck der Gewerkschaften Leichtlohngruppen praktisch komplett aus den deutschen Tarifverträgen. Seither gilt das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.
Den GPG gibt es aber trotzdem noch. Und er ist immer noch bemerkenswert groß. Im Durchschnitt der Jahre 2000-2010 betrug der Stundenverdienst für Frauen 14 € und für Männer 18 €2) Dieser Wert findet sich ähnlich auch im „Report on equality between women and men“ der Europ. Kommission von 2010, wonach der GPG 23% beträgt3) . Wobei Deutschland in diesem Bereich deutlich über dem EU27-Schnitt von 17,6% liegt.
Warum werden Frauen schlechter bezahlt?
Es ist nicht leicht zu verstehen, warum der GPG in Deutschland immer noch so groß ist, wenn es doch keine unterschiedlichen Tarife für Männer und Frauen gibt. Wie kann das sein?
Vordergründig liegt die bessere Bezahlung von Männern an deren stärkerer Arbeitsmarktbeteiligung. Männer machen deutlich mehr Überstunden, was wegen der Lohnzuschläge dann dazu führt, dass gleiche Arbeit doch besser bezahlt wird. Außerdem haben sie weniger Unterbrechungen in ihrer Karriere durch Familienphasen. Das ist aber bei gründlicher Analyse nur ein Teil und sogar der kleinere Teil der Wahrheit. Die Hauptursache für den GPG in Deutschland ist die „berufliche Geschlechtersegregation“.
Was ist „Berufliche Geschlechtersegregation“?
Dieser Begriff bezeichnet das Phänomen, dass Frauen und Männern in unserer Gesellschaft zwar theoretisch jeder Beruf offen steht, aber in der Praxis die Geschlechter sehr ungleich auf die Berufe verteilt sind.
Es gibt Berufe, die hauptsächlich von Frauen ausgeübt werden und solche, die weit überwiegend von Männern ausgeübt werden. Diese Segregation ist ein sehr stabiles Element des Arbeitsmarktes. Es gibt dieses Phänomen weltweit. Zwar ist das Muster nicht über alle Berufe hinweg eindeutig, aber im groben kann man sagen, dass Frauen in sozialen und pflegenden Berufen überrepräsentiert sind, während dies bei Männern in manuellen Tätigkeiten der Fall ist.
In Deutschland ist die Segregation (im internationalen Vergleich) sehr hoch und hat sich in den letzten 35 Jahren kaum verändert4) . Dabei konzentrieren sich die Frauen auf ein relativ enges Spektrum von Berufen.
Wieso führt das zu schlechterer Bezahlung?
Die einfache Antwort lautet: Frauenberufe werden deswegen schlechter bezahlt, weil sie Frauenberufe sind! Oder anders formuliert: es ist ein Merkmal von Frauenberufen, dass sie im Vergleich zu Männerberufen schlechter bezahlt sind. Das erklärt noch nichts. Welche Charakteristika sind es, die dazu führen, dass Berufe geringere Verdienste mit sich bringen?
Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Wege solche Ungleichheiten zu erklären: Ökonomisch oder soziologisch.
Die ökonomische Erklärung argumentiert mit der sog. Humankapitaltheorie. Danach ist die Bezahlung ein Äquivalent zum eingesetzten Humankapital. Weil Frauen andere Schwerpunkte setzten als die Erwerbsarbeit (Bevorzugung von Tätigkeiten, die gut mit familiären Verpflichtungen vereinbar sind), ist ihre Erwerbsarbeit weniger wert. Da mag etwas dran sein, aber statistische Auswertungen haben ergeben, dass damit der GPG nur unzureichend erklärt werden kann.5)
Es muss also noch eine weitere Ursache geben und diese ist soziologischer Natur. Danach werden Frauenberufe vor allem deshalb schlechter bezahlt, weil sie Tätigkeiten beinhalten, die weiblich konnotiert sind und deshalb einen geringeren Status haben.6) Wenn also ein Beruf viel pflegerische oder erzieherische Arbeitsinhalte mit sich bringt, dann ist er nicht viel wert. Gleiches gilt übrigens für Schreibarbeiten, Reinigungs- und Verkaufstätigkeiten. Die dahinter stehende Annahme ist schlicht gesagt: wenn Frauen einen Beruf mehrheitlich ausüben, dann kann es nicht so schwierig sein und ist also auch nicht so viel wert. Die Untersuchung von Busch zeigt deutlich, dass als weiblich eingeschätzte Arbeitsinhalte einen negativen Effekt auf den Verdienst haben.7)
Umgekehrt haben „männliche“ Inhalte einen positiven Effekt. Das gilt allerdings nur für Männer! Das bedeutet: wenn ein Mann in einen Frauenberuf geht, dann verdient er (wie dort üblich) weniger, wenn er in einem Männerberuf geht mehr. Wenn Frauen jedoch in einen Männerberuf gehen, dann müssen sie mit Verdienstabschlägen rechnen.
Warum wählen Frauen schlechter bezahlte Berufe?
Damit bleibt noch eine letzte Frage. Wenn Frauen wissen, dass sie in typischen Frauenberufen schlechter bezahlt werden und auch schlechtere Aufstiegschancen bieten, warum wählen sie sie trotzdem? Die einfache Antwort darauf lautet, dass den Frauen offensichtlich anderes wichtig ist als Einkommen und Status. Aber was ist das und warum ist das so?
Anne Busch ist auch dieser Frage nachgegangen. Sie weist nach, dass Frauen bei der Berufswahl vor allem soziale Arbeitsinhalte wichtig sind 8) und bestätigt damit die sozialtheoretischen Annahmen, die schon vorher in verschiedenen Studien belegt wurden.
Als Ursache dafür wiederum kann angenommen werden, dass die geschlechtstypischen beruflichen Präferenzen durch die traditionellen Geschlechtsrollen geprägt sind. Es geht dabei um Prägungen, die im Kindesalter entstehen. Speziell im Fokus ist dabei die sog. „intergenerationale Transmission“ also die Übertragung der erlebten Rollen- und Arbeitsteilung bei den Eltern auf die Berufswahl der Kinder.9) Die Untersuchung von Busch zeigt, dass insbesondere bei Frauen die Wahl eines geschlechtstypischen Berufes stark durch das Geschlechtsrollenverhalten der Eltern, das in der Jugend erlebt wurde, geprägt ist.
1) http://de.wikipedia.org/wiki/Leichtlohngruppe
2) Busch: Der Einfluss der Geschlechtersegregation auf den GPG, S. 317
3) European Commission: Report on equality between women and men 2010, S. 27
4) IAB-Kurzbericht 9/2014: Berufliche Segregation auf dem Arbeitsmarkt, S. 1 http://doku.iab.de/kurzber/2014/kb0914.pdf
5) Busch: Der Einfluss der Geschlechtersegregation auf den GPG, S. 307
6) ibid 307
7) ibid 323
8) Busch: Die Geschlechtersegregation beim Berufseinstieg, S. 162ff
9) ibid 166ff
© Jula 2014