Als ich die Rede von Lana Wachowski auf Youtube angeschaut und die Transkription nachgelesen habe, war ich sehr beeindruckt.
Lana sagt vieles, was ich ähnlich gefühlt und gerne ebenso schön gesagt hätte. Die Rede von Lana ist ein Glücksfall. Weil ich sie so toll und so bewegend finde, möchte ich sie auf deutsch verfügbar machen.
Die Rede wurde von Lana Wachowski am Oktober 2012 anlässlich der Verleihung des “Visibility Award” der Human Rights Campaign in San Francisco gehalten.
Okay. Puuh. Ich habe noch nie eine Rede gehalten. (Applaus) Okay, Okay, Ich kriege es hin – ihr seid sehr ermutigend. Ich liebe euch.
Also ich bin bei meinem Friseur. (Gelächter) Er ist schwul, stellt euch vor.
Ich sage: “Yeah, die HRC will mir einen Preis verleihen.“
“Preis für was?“
Ich sage: “Ich schätze irgendwie dafür, dass ich ich selbst bin.“
Er spielt so mit meinen Haaren rum und schaut mich an und sagt etwas wie: “Ich denke, du bist recht gut als du.”
Und ich so: “Ja, da war auch nicht viel Konkurrenz.”
Und weil er ein ziemliches Aas sein kann, sagt er: “Ja, das ist gut – stell dir mal vor, du hättest verloren!” (Gelächter)
Ich gehe seit fast sechs Jahren zu diesem Friseur, der ein großartiger, liebenswerter Mann ist. Er weiß alles über meine Familie. Wie nahe mir meine Großmutter stand, wie ich die Liebe meines Lebens getroffen und geheiratet habe. Er hat mir das Haar zu unserer Hochzeit vor drei Jahren gemacht. Und er hat die besoffenen, pornographischen Bilder von unseren Flitterwochen auf Mykonos gesehen. Aber er weiß nicht, dass ich bei der Matrix Trilogie zusammen mit meinem Bruder Andy(1) (Applaus) Regie geführt habe. Er weiß also genau, wer ich bin, aber er weiß nicht, was ich tue.
Andererseits war ich neulich bei einem Dinner mit einer Mischung aus Freunden und Fremden, die alle sehr beeindruckt waren, einen Hollywood-Regisseur zu treffen. Aber alles was sie fragen wollten, drehte sich um Tom Hanks, Keanu Reeves und Halle Berry. Und während des Essens verwiesen sie dauernd auf mich als “er” oder als einer der “Wachowski Brüder”. Manchmal nutzen sie meinen halben Namen “Laaaaaa” als eine unbeholfene Brücke zwischen den Identitäten, unfähig oder vielleicht auch unwillig mich so zu sehen wie ich bin, sondern nur für die Dinge, die ich tue.
Jeder, jede Person hier, jedes menschliche Wesen präsentiert einen Kompromiss zwischen öffentlicher und privater Identität. Für mich bekam dieser Kompromiss seine eigentliche Form in einem Gespräch zwischen mir, Andy und Tom Tykwer – unser neuer Bruder im Geiste – mit dem wir unseren letzten Film, Cloud Atlas gemeinsam gemacht haben (Danke für diesen Anlass, schaut ihn euch an). Vor einigen Monaten haben wir in einem Berliner Club gesessen, mitten in der biergetränkten Wildheit an einem Platz der nicht dazu gedacht ist, von Menschen und Licht besiedelt zu werden, und wir überlegten was wir für eine Einführung zu dem Trailer machen sollten, der online gepostet werden sollte. Tom Hanks sollte das eigentlich machen, aber er war verhindert.
Andy und ich haben in mehr als 12 Jahren weder Pressearbeit gemacht noch öffentliche Auftritte, auch nicht bei Premieren. Die Leute haben fälschlicherweise geglaubt, das hätte etwas mit meiner Geschlechtsrolle zu tun. Hat es nicht. Nachdem die Matrix in 1999 erschienen war, haben wir beide eine alarmierende Einengung unserer Welt und damit auch unseres Lebens erfahren. Wir beide wurden uns akut der Kostbarkeit von Anonymität bewusst – verstanden sie als eine Form von Jungfäulichkeit, etwas, das man nur einmal verlieren kann. Anonymität ermöglicht dir den Zugang zum öffentlichen Raum, zu einer Teilhabe am öffenlichen Leben, zu einer egalitären Unsichtbarkeit, die keiner von uns aufgeben wollte. Wir sagten Warner Bros., dass keiner von uns weiter Pressearbeit machen wollte. Sie sagten uns: “Nein. Absolut nicht. Das ist nicht verhandelbar. Regisseure sind essentiell, wenn es um Verkauf und Vermarktung eines Filmes geht.” Wir sagten: “Okay, wir haben es verstanden. Wenn es also um die Wahl geht, ob wir Filme machen wollen oder lieber keine Pressearbeit, dann entscheiden wir uns, keine Filme zu machen.” Sie sagten: “Bleibt ruhig. Kann sein, dass es doch etwas Verhandlungsspielraum gibt.”
Mit dieser Position setzten wir uns vor drei Monaten in Berlin auseinander. Uns allen war die Tatsache bewusst, dass es nicht bloß der erste öffentliche Auftritt von Andy und mir seit langer Zeit war, sondern dass es auch das erste Mal seit meiner Transition sein würde, dass ich öffentlich spreche. In Klammern gesagt: die Sache ist für mich sehr schwierig wegen der Komplexität in einem binären Geschlechtersystem, mit dem es mir nicht wirklich gut geht. Mir war klar, dass in dem Moment, wo ich vor die Kamera trete, dieser Akt zum Gegenstand von Projektionen wird, die sowohl persönlich als auch politisch sind.
Ich bin bei meiner Familie und meinen Freunden seit mehr als einem Jahrzehnt geoutet. Und den größten Teil dieser Zeit habe ich auch diese spezielle Frage sowohl mit meinem Therapeuten als sich mit meiner Familie und meiner Frau diskutiert. Weil ich wusste, das ich es zwar eventuell tun werde, aber auch, das dafür ein Preis zu zählen sein würde. Ich wusste, ich würde es irgendwann öffentlich machen. Aber als ich es schließlich tat, wollte ich nicht, dass es um mein Comingout selbst gehen sollte. Ich habe einen totalen Horror vor Talkshows, diesem Format der Befragung und des Geständnisses, dem Gejammere und den Tränen des Gastgebers (Applaus), dessen Mitgefühl die inhärente Tragödie meines Lebens als Transgender noch betont. Und dieser Moment beendet den kathartischen Bogen von Zurückweisung zu Akzeptanz ohne jemals die Pathologie einer Gesellschaft zu hinterfragen, die sich in der gleichen, blinden Weise weigert, das Spektrum des Geschlechts anzuerkennen, wie sie sich geweigert hat, das Spektrum der Rasse oder der Sexualität anzuerkennen. (Applaus)
So haben wir drei geredet. Wir mögen es zu reden. (Sie werden vermutlich auch gerade gemerkt haben, oh oh, wir haben hier eine Quasselstrippe. Nach etwa einer Stunde gibt es eine Pause.)
Wir haben die Perspektiven abgewogen und waren uns der Tatsache sehr bewusst, dass wir gerade einen Film über genau dieses Thema gemacht hatten – über die Verantwortung, die wir Menschen für einander haben, und dass unsere Leben uns nicht komplett allein gehören. Da gibt es einen Dialog in dem Film, der gut in die Diskussion passt und ich ertappe mich, wie ich selbst eine Zeile von einer Figur, der ich mich sehr verbunden fühle, wiederhole. Sie spricht von ihrer eigenen Entscheidung öffentlich zu werden. Sie sagt: „Wenn ich unsichtbar geblieben wäre, dann wäre die Wahrheit verborgen geblieben und das konnte ich nicht erlauben.“ Und sie sagt es in dem Bewusstsein, dass es sie in dem Moment, in dem die es sagt, ihr Leben kosten wird.
Plötzlich habe ich diesen intensiven Rausch von Bildern, Gedanken und Erinnerungen in meinem Kopf, so etwas wie das blitzartige Vorbeiziehen des Lebens vor dem inneren Auge. So wie Leute Nahtoderfahrungen beschreiben. Dadurch beginne ich zu verstehen, wie komplex die Beziehung zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit in meinem Leben immer gewesen ist.
Ich erinnere mich an die dritte Klasse. Wir waren gerade umgezogen und ich wechselte von einer staatlichen Schule auf eine katholische Schule. In der staatlichen Schule habe ich meist mit den Mädchen gespielt. Ich hatte lange Haare und alle trugen Jeans und T-Shirts. In der katholischen Schule tragen die Mädchen Röcke und die Jungen Hosen. Ich muss meine Haare schneiden lassen. Ich will mit den Mädchen Völkerball spielen, aber ich bin jetzt einer von denen – ich bin einer von den Jungs. Morgens wird mit gesagt, dass ich mich beim Läuten der Schulglocke in Reihe aufstellen soll. Die Mädchen stehen in einer Reihe, die Jungen in einer anderen. Ich gehe zwischen den Mädchen durch und fühle diese seltsame, kraftvolle Anziehungskraft der Zugehörigkeit. Aber ein anderer Teil von mit weiß, das ich weitergehen muss. Aber als ich auf die andere Reihe schaue, verwirrt mich ein Gefühl der Unterschiedlichkeit. Dort gehöre ich auch nicht hin.
Ich bleibe in der Mitte stehen. Ich bemerke, wie die Nonne mich anstarrt, wie sie mir an etwas zuruft. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Sie zerrt an mir, sie schreit mich an. Ich will nicht ungehorsam sein, ich will bloß richtig stehen. Mein Schweigen macht sie wütend und dann beginnt sie mich zu schlagen.
Dann plötzlich, vollkommen unwahrscheinlich – wenn es in einem Film passiert wäre, hättet ihr es nicht geglaubt – ist da dieses Quietschen von Reifen und meine Mutter fährt vor, echt wahr. Sie springt aus dem Auto und stürzt sich auf diese Nonne. Sie reißt mich von ihr weg, rettet mich. Sie warnt die Nonne, mich nie mehr anzufassen. (Applaus)
Und ich denke ich bin in Sicherheit, jedoch sie nimmt mich mit nach Hause und versucht herauszufinden, was geschehen ist. Aber ich habe keine Worte um es zu beschreiben. Ich starre bloß auf den Boden und sie fragt wieder und wieder, was geschehen ist. Und ich beginne wieder die selbe wachsende Frustration und den selben wachsenden Ärger zu spüren, wie bei der Nonne. Sie sagt mir, ich solle sie ansehen, aber ich möchte nicht, weil, wenn ich es tue, kann ich nicht verstehen, warum sie unfähig ist, mich zu sehen.
Das letzte Mal, als ich gebeten wurde, eine Rede wie diese zu halten war beim Abschluss der achten Klasse. Ich war der Jahrgangsbeste und mein Lehrer Mr. Henderson teilte mir mit, dass ich deshalb eine Rede halten müsste. Ich hielt das nicht für eine große Sache. (Gelächter) Ich bin auch bezüglich dieses Preises hier nicht sicher. Aber, weil ich extrem schüchtern bin, lehnte ich ab. Ich sagte: „Dann soll jemand anderes Jahrgangsbester sein.“ Er mochte die Antwort nicht. Er sagte: „So läuft das nicht”. Er sagte, er habe Verständnis für meine Gefühle, denn niemand halte gerne eine Rede – warum tun wir es dann doch? -. Aber manchmal dürfe man nicht bloß an sich selbst denken, sondern ich müsse an meine Mitschüler denken und an meine Eltern, die sehr stolz auf mich sein würden, sagte er. Es gibt einige Dinge, die tun wir für und selbst, aber es gibt anderes, das wir für andere Menschen tun müssen.
Also habe ich damals die Rede geschrieben ebenso wie ich diese hier mit Schmetterlingen im Bauch geschrieben habe. Ich habe nachts daran gearbeitet und dabei das Unterkleid getragen, das ich als Nachtwäsche trug. Und das ich meiner Schwester gestohlen hatte. Ich habe darüber geschrieben, dass Wissen die gleiche Materialität hat wie eine Leiter und genutzt werden kann um Zugang zu Orten und Welten zu bekommen, die vorher unvorstellbar waren. Ich kann mich nicht wirklich daran erinnern, wie ich diese Rede gehalten habe. Ich erinnere mich, dass ich nachher in der Toilette war, versteckt in einer verschlossenen Kabine. Ich fühlte das Unterkleid, das ich unter meinem Anzug trug, während ich weinte und mich dumm fühlte und für einen Lügner hielt, weil ich mir keine Welt vorstellen konnte, in die ich jemals hineinpassen würde.
An der Highschool schloss ich mich der Theatergruppe an. Teils wegen meiner älteren Schwester, aber hauptsächlich wegen des Lagerraums hoch über der Bühne auf dem Schnürboden, der voller Kostüme war. Ich habe diesen Lagerraum geliebt. Einerseits wegen seiner nach Straub riechenden Privatheit, in der ich sitzen und lesen konnte. Aber auch wegen der Stangen mit Kleidern und der endlosen Reihen von Schuhen. Ich erinnere mich, wie ich eines Tages dieses schöne Brokatkleid mit dem eingearbeitetem Korsett getragen habe, als ich plötzlich hörte, wie die Inspizientin meinen Namen rief. Kurz bevor sie die Tür öffnete, versteckte ich mich verzweifelt zwischen den schattigen Falten der aufgehängten Kleider. Mein Herz schlug bis zum Hals und ich lauschte, wie sie immer wieder meinen Namen rief und ich betete, dass ich irgendwie unsichtbar bleiben möge.
Als ich älter wurde verband sich eine intensive, ängstliche Isolation mit konstanter Schlaflosigkeit und verursachte eine unentrinnbare Depression. Ich habe nie viel geschlafen, aber während meines zweiten Jahres an der Highschool. Während ich beobachtete wie bei vielen meiner männlichen Freunde der Bart spross, habe ich eine unbarmherzige Schlaflosigkeit entwickelt. Und Stunden damit verbracht in den Spiegel zu starren, voller Angst, was ich eines Tages wohl sehen werde. Hier in der Abwesenheit von Worten zu meiner Verteidigung, ohne Beispiele und ohne Vorbilder, begann ich den Stimmen in meinem Kopf zu glauben. Sie sagten, ich sei ein Freak, dass ich kaputt wäre und dass etwas mit mir falsch wäre und dass ich niemals liebenswert sein würde.
Nach der Schule gehe ich zu einem benachbarten Burger King und schreibe einen Abschiedsbrief. Zum Schluss war er vier Seiten lang. (Gelächter) Ich bin ein wenig geschwätzig. Er war an meine Eltern adressiert und ich versuchte ehrlich sie zu überzeugen, dass es nicht ihr Fehler war, sondern ich einfach nicht dazu gehörte. Ich habe viel geweint, als ich den Brief geschrieben habe. Aber die Beschäftigten bei Burger King haben das alles schon öfter gesehen und sie scheinen immun zu sein. (Gelächter)
Üblicherweise fuhr ich wegen des Theaters sehr spät nach Hause, deshalb wusste ich, das der Bahnsteig nachts leer ein würde, weil er das immer ist. Ich lasse die Linie B fahren, weil ich weiß, dass danach die Linie A kommt, die dort nicht hält. Als ich die Frontlampe sehe, nehme ich meinen Rucksack ab und lege ihn auf die Bank. Ich versuche an nichts anderes zu denken als ans Springen, wenn der Zug kommt. Gerade als der Bahnsteig zu vibrieren beginnt, bemerke ich plötzlich, wie jemand die Rampe herunter kommt. Es ist ein dürrer alter Mann, der eine übergroße Brille mit eckigen Gläsern im Stil der 70er Jahre trägt. Sie erinnert mich an die, die meine Großmutter hat. Er starrt mich auf die Art an, wie Tiere sich anstarren. Ich habe keine Ahnung weshalb er nicht wegsehen wollte. Alles, was ich weiß, ist, weil er nicht wegsehen wollte, bin ich noch hier.
Jahre später finde ich den Mut mir zuzugestehen, dass ich Transgender hin und dass das nicht bedeutet, dass ich nicht geliebt werden kann. Ich lerne eine Frau kennen. Die erste Person, die mir vermittelt hat, dass sie mich nicht trotz meiner Besonderheit liebt, sondern wegen ihr. Sie ist die erste Person, die mich als ganzes Wesen gesehen hat. Und jeden Morgen, den ich neben ihr aufwache, kann ich meine Dankbarkeit gar nicht hinreichend ausdrücken für diese zwei blauen Augen in meinem Leben.
Es war in Sydney, Australien wo ich mich schließlich meiner Familie anvertraute. Als ich meiner Mom sagte, was los ist, sprang sie sofort in ein Flugzeug. Es war so ein großes, tränenüberströmtes Geständnis und sie bekannte, dass sie Angst hatte anzukommen und den Verlust ihres Sohnes zu betrauern. Aber als sie da war, bemerkte sie, dass es weniger ein Tod war, als viel mehr eine Entdeckung. Dass es da einen anderen Teil von mir gab, einen ungesehenen Teil, und sie spürte, dass es so etwas wie ein Geschenk war, weil sie diesen Teil von mir nun kennenlernen konnte. (Applaus)
Wir gingen zum Dinner. Ich kleidete mich so feminin, wie ich konnte, weil ich von Fremden als Lana gesehen werden wollte. Ich hoffte, die Kellner würden mich nicht “Sir“ nennen oder “er“. So als hätten diese Menschen plötzlich die Macht, meine Existenz zu bestätigen oder zu bestreiten. Meine Mutter ist auch ein wenig geschwätzig. Sie stellt sich immer selbst dem Kellner oder der Kellnerin vor. Und sie sagt so; “Hi, ich bin Lynne. Das ist meine Tochter Lana.“ Und die Kellnerin lächelt und sagt: “Wow, sie sieht genau aus wie sie.“ (Applaus)
Als mein Vater ankam wurde er damit leichter fertig, als er akzeptieren konnte, dass seine Frau und seine Tochter damals für Jane Byrne statt für Harold Washington gestimmt hatten (bei der Wahl zum Bürgermeister von Chicago 1983). Eine Entscheidung, die ihn noch immer wurmt. Er sagte: “Schau, wenn mein Kind sich zu mir setzt und mit mir reden will, dann bin ich glücklich. Wichtig ist, dass du lebst, dass du glücklich zu sein scheinst und dass ich dich umarmen und küssen kann.“ (Applaus)
Gute Eltern zu haben, ist wie eine Lotterie. Du sagst bloß: “Oh mein Gott, ich habe in der Lotterie gewonnen. Was zum …. Ich habe nichts dazu getan!“
Ich erinnere mich, dass ich über Dads Worte und seine Akzeptanz nachgedacht habe, als meine Frau und ich zum ersten Mal über (den ermordeten transidenten Teenager) Gwen Araujo gelesen haben. Es schien unmöglich, dass so etwas so nahe an unserer Stadt geschehen konnte. Jedoch wurde hier eine Person wie ich ermordet durch Ignoranz und Vorurteile, ermordet durch Intoleranz. Und es erschien mir ein direkter Gegensatz zu der Akzeptanz durch meine Familie zu sein. Ermordet durch eine Art von Furcht, die jeden Hinweis auszulöschen versucht, dass die Welt anders ist, als sie sie sehen möchte, als sie glauben möchte, dass sie ist.
Unsichtbarkeit ist untrennbar verbunden mit Sichtbarkeit. Für Transgender ist das keine philosophische Frage, es kann den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.
Ein paar kurze Wochen nach meinem Coming Out wurden wir drei, Tom, Andy und ich interviewt. Und einer der Reporter schweifte vom Thema des Films ab zu meiner Geschlechtsrolle. Stellt euch das vor, ein Reporter. Mein Bruder ging sofort dazwischen: “Schau, nur damit das klar ist,“ sagte er, “wenn jemand etwas fragt oder über meine Schwester sagt, dass ich nicht mag, dann musst du wissen, dass ich eine Flasche auf seinem Kopf zerschlagen werde.“ (Applaus) Wenige Worte drücken Liebe klarer aus als diese.
Ich bin hier, weil mich Mr. Henderson gelehrt hat, dass es einige Dinge gibt, die wir für uns selbst tun, aber andere, die wir für die anderen tun. Ich bin hier, weil ich in meiner Jugend unbedingt Autor werden wollte. Ich wollte ein Filmemacher sein, aber ich konnte in der Welt niemanden wie mich finden. Und ich dachte meine Träume könnte ich nie verwirklichen, einfach weil meine Geschlechtsrolle weniger typisch als die anderer Menschen war.
Wenn ich diese Person für jemand anderes sein kann (Pause, Applaus), dann hat das Opfer meines Privatlebens einen Sinn gehabt. Ich weiß, ich bin auch hier wegen der Stärke und dem Mut und der Liebe die ich von meiner Frau, meiner Familie und meinen Freunden empfangen durfte. Und auf diese Weise hoffe ich, dass ihre Liebe über meine Bedeutung an ein Projekt wie dieses, gestartet von der HRC, weitergeben kann. So dass diese Welt, so wie wir sie uns in diesem Raum vorstellen, genutzt werden kann um Zugang zu anderen Räumen zu bekommen, zu anderen Welten, die bisher unvorstellbar waren.
Vielen Dank. Quelle: http://www.hollywoodreporter.com/news/lana-wachowskis-hrc-visibility-award-382177
© Übersetzung Jula 2013
(1) Nachtrag: inzwischen würde Lana das sicher nicht mehr so formulieren, denn sie hat jetzt eine jüngere Schwester namens Lilly, von der sie zum Zeitpunkt ihrer Rede entweder nichts wusste oder die sie nicht outen wollte.
Ergänzung 2020
Wenn man darauf achtet, ist es offensichtlich: Der Film Matrix der Wachowski-Schwestern von 1999 ist eine große Trans*-Metapher. Darüber haben Clara und ich mit den Machern des Podcast Minutenweise ausführlich reden können.
Mehr dazu findet ihr in meinem Beitrag „Matrix ist auch trans*“ sowie in Claras Pingback in den Kommentaren.
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