Dieser zweiteilige Artikel soll im ersten Teil vor allem bei transidenten Menschen Verständnis dafür wecken, wieso ihnen ausgerechnet ihre Partnerin bzw. ihr Partner der Transidentität so wenig tolerant gegenübersteht.
Im zweiten Teil geht es um praktische Vorschläge zur Überwindung der Sprachlosigkeit in der Partnerschaft.
Einleitung
Seien wir ehrlich: wir tun unseren Ehefrauen/Partnerinnen mit unseren Bedürfnissen nach Weiblichkeit ganz schön was an!
Allerdings beruht das auf Gegenseitigkeit. Wohl kaum eine andere Person wird von einem transidenten Menschen als so hinderlich bei dem Versuch sich selbst zu verwirklichen erlebt, wie die eigene Frau bzw. Partnerin.
Gut, es gibt Frauen, denen macht die weibliche Seite ihres Partners nichts aus. Sie unterstützen und fördern sogar die weibliche Seite. Sie gehen ohne Scham mit „ihr“ aus und erleben diesen Aspekt als positiv für ihre Partnerschaft. Manche gehen den Weg sogar dann noch mit, wenn ihr Partner körperlich und von der sozialen Rolle komplett Frau geworden ist. Ja, das gibt es wirklich.
Aber in vielen Partnerschaften, die ich kenne, ist das nicht so.
Lassen wir jetzt die glücklichen Paare, denen es ohne Stress gelingt, die Transidentität eines Teils in ihre Partnerschaft zu integrieren, beiseite. Sie haben den Neid derjenigen, bei denen es anders ist, und das mag ihnen genügen. Mein Thema im Folgenden sind die anderen. Die, bei denen sich die Transidentität ein schwieriges Problem in der Partnerschaft darstellt und sich eventuell sogar zur Familienkrise auswächst. Kurz, diejenigen, denen es so ähnlich geht, wie meiner Frau und mir.
1. Teil: Was sie stört
Dem Glück im Wege stehen
Weshalb haben es ausgerechnet unsere eigenen Frauen bzw. Partnerinnen so schwer, unsere feminine Seite nett zu finden bzw. zumindest zu akzeptieren?
Ich könnte die Frage auch provokanter formulieren: „Wieso machen es uns gerade unsere eigenen Frauen so schwer, unsere Weiblichkeit so auszuleben, wie wir das brauchen?“ Manchmal hat es schon den Anschein, als würden gerade unsere Partnerinnen unserem Glück im Wege stehen. Statt uns zu unterstützen bzw. zumindest Verständnis für unsere Bedürfnisse zu haben, liefern sie uns ständig Hindernisse und Probleme.
Sie wollen dies nicht und jenes nicht wissen. Und sehen wollen sie schon gar nichts davon.
Jedes Zugeständnis muss in langwierigen Kämpfen abgerungen werden.
Dabei sind unsere Partnerinnen ansonsten tolerant gegenüber anderen Menschen. Ich glaube nicht, dass es Partnerinnen gibt, die generell ein Problem mit Transidentität haben. Meine Frau hat mal gesagt: „Ich habe nichts gegen Transvestiten. Ich würde problemlos mit jeder deiner Freundinnen durch die Stadt gehen. Mit denen bin ich schließlich auch nicht verheiratet!“ Die Ablehnung richtet sich also speziell gegen uns!
Letztendlich haben unsere Partnerinnen in etwa die gleichen Probleme mit unserer weiblichen Seite, wie wir selbst. So, wie viele von uns Jahre brauchen, sich selbst mit dieser für einen Mann so unpassenden Identität, anzunehmen, fällt es auch unseren Frauen schwer. Ich z.B. habe mich jahrelang dafür gehasst und bekämpft, dass ich kein „normaler“ Mann sein konnte. Aber wir haben zumindest den direkten Zugang zu unseren Gefühlen. Wir spüren unmittelbar, dass da etwas in uns ist, das wir nicht ignorieren können. Dieser Zugang fehlt unseren Partnerinnen. Sie sehen zunächst nur einen äußerlich normalen Mann. Sie können nicht spüren, dass das Bedürfnis nach Weiblichkeit einen anderen Charakter hat, als ein Hobby oder die Vorliebe für bestimmte Speisen.
Folglich hat unsere Partnerin es sogar noch ein wenig schwerer als wir, denn: Sie fühlt es nicht!
Wieso muss ich mir das überhaupt antun?
Das ist wohl die erste Frage, die sich Frauen stellen, wenn sie unerwartet mit der Thematik konfrontiert werden.
Hart gesagt: Es ist nicht ihr Thema! Wieso sollte sie damit ein Problem haben müssen? Das Beste wäre doch, wenn es sich bei der seltsamen Macke des Partners um etwas handelt, das die Beziehung und das gemeinsame Leben nicht stört.
Anders als wir, spüren unsere Frauen selbst nicht die innere Notwendigkeit, dieses Thema als Teil des eigenen Lebens zu akzeptieren. Sie bemerken nur, dass da etwas ist, das ihr Leben bzw. ihre Idealvorstellung davon stört und sie stellen sich die berechtigte Frage, ob das denn wirklich sein muss.
Weil man Transidentität und deren Auswirkungen auf die Menschen nicht sehen kann, ist die Versuchung groß, das Problem einfach dort zu lassen wo es nach Meinung der Frau hingehört: bei ihrem Mann! Das Problem leugnen, seine Existenz ignorieren, es so weit wie möglich an den Rand des gemeinsamen Lebens drängen, sind übliche und auch verständliche Reaktionen.
Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Um das zu verdeutlichen, möchte ich ein Beispiel bemühen. Stellen wir uns vor, der Ehepartner habe einen Unfall gehabt, durch den er z.B. den rechten Arm verlor. Wäre das auch „allein sein Problem“, dessen Auswirkungen auf das Alltagsleben die Partnerin im weiteren Verlauf nicht an sich heranlassen würde? Sicher nicht. Oder der Partner erkrankt an einer Depression. Ebenfalls „nicht ihr Problem“?
Die Beispiele zeigen meiner Ansicht nach recht gut, worum es geht. Es ist ein schwerer erster Schritt der Erkenntnis, den Partnerinnen vollziehen müssen, dass ihr Mann, den sie eventuell lange als vollkommen normales (und sogar besonders liebenswertes) Exemplar seiner Art gesehen haben, eine Besonderheit mit sich herumträgt, die sein Leben ebenso stark beeinflusst, wie eine sonstige körperliche oder psychische Gegebenheit.
Transidentität können ihre Träger ebensowenig „wegdenken“ wie eine fehlende Extremität, eine Diabetes oder eine psychische Erkrankung (s.a. den Artikel Bin ich krank).
Besonders tückisch ist die Thematik bei „Spätberufenen“, die jahrelang ihre Transidentität mit sich selbst ausgemacht und niemanden sonst aus ihrer Familie davon wissen ließen. Aus der Tatsache, dass jemand es über Jahre geschafft hat, die Transidentität zu seinem persönlichen Geheimnis zu machen und weder Partnerin noch sonstige Familie damit zu behelligen, lässt sich nicht folgern, dass er diese Kraft auch weiterhin haben wird.
Betroffene müssen irgendwann akzeptieren: es geht nie weg! Es wird immer Teil meiner Persönlichkeit und meines Lebens sein.
Für die Frau heißt das, sie muss einen großen Schritt tun. Den großen Schritt von „Muss das sein?“ zu „Wie kriegen wir das hin?“ Den anderen mit seiner Besonderheit anzunehmen ist für viele schwierig, aber es ist ein entscheidender Schritt. Oft ist er nicht ohne äußere Hilfe zu bewältigen.
Wenn sich die Partnerin dann der Thematik stellt, ist es immer noch schwierig. Nach meinem Erleben und den intensiven Diskussionen mit meiner Frau gibt es verschiedene problematische Aspekte.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, möchte ich einige im Folgenden darstellen.
Unsicherheit
Wir Betroffenen wissen, wie wenig präsent unsere Thematik in der Gesellschaft ist und beklagen gerne das Unwissen, das zu schrägen Vorurteilen führt.
Nun, unsere Partnerin hat wahrscheinlich nur durch uns Zugang zu dieser Thematik und weiß darüber im Übrigen so wenig, wie der Durchschnitt der Gesellschaft. Und dann kommt der eigene Mann damit um die Ecke und man soll dazu eine Meinung haben, eine zustimmende, akzeptierende, positive. Dabei weiß man überhaupt nicht genau, was das eigentlich bedeutet.
Das Spektrum der Möglichkeiten, was der Mann denn gemeint hat, als er sagte „Ich trage gerne Frauenkleidung.“ ist gewaltig. Zwischen einem eventuell unproblematisch in die Beziehung integrierbaren Fetisch für Strumpfhosen bis zu der Aussicht, sich demnächst in einer lesbischen Beziehung mit einer körperlichen Frau wiederzufinden oder alternativ als alleinerziehende Mutter, wo man gerade doch noch „Managerin eines erfolgreichen kleinen Familienunternehmens“ war, ist alles möglich.
Wie soll man denn zu solchen Aussichten eine akzeptierende Haltung entwickeln? Erschwerend kommt hinzu, dass nicht einmal der Partner, der es als selbst Betroffener doch am besten wissen sollte, präzise und glaubhafte Angaben dazu machen kann, was er denn wirklich will und wo das alles endet.
Doch, es gibt sehr gute Gründe für eine Partnerin verunsichert zu sein, wenn sie mit der Thematik konfrontiert wird.
Verlustangst
Auch wenn es manchen Betroffenen im Blick auf sich selbst unwahrscheinlich vorkommen mag: es gibt jemanden, der diesen Mann mag! Sehr sogar.
Während wir selbst beim Blick in den Spiegel mit unserem Körper hadern und am liebsten unser Schicksal, dass uns so zynisch bestraft hat, zur Rechenschaft ziehen würden, liebt unsere Frau diesen Mann mit diesem Körper.
Weil sie diesen Mann liebt, hat sie natürlich große Angst, ihn zu verlieren.
Bedrohung
Wenn ich den Standpunkt einer Partnerin einnehme, dann komme ich nicht umhin, die Transidentität des Mannes als relevante Bedrohung der Partnerschaft zu begreifen.
Die Partnerschaft zwischen Mann und Frau beruht nun mal auf einem bestimmten Rollenmodell. Und dass der eine Teil in sich fühlt, dass es da Probleme mit diesem Modell geben könnte, heißt noch lange nicht, dass auch der andere Teil das fühlen kann.
Während der Mann selbst von dem Ausleben seiner weiblichen Aspekte (um nicht direkt von „seiner wirklichen, weiblichen Identität“ zu sprechen) in verschiedener Weise profitiert, ist die Gewinnerwartung der Partnerin nur sehr gering.
· Wenn sie nicht gerade bisexuell ist, wird jede Feminisierung des Partners zu einer Verminderung der sexuellen Attraktivität führen.
· Die Angst, Probleme im Umfeld bzw. in der Öffentlichkeit zu bekommen ist groß.
Kampf um den Mann!
Was bleibt von meinem Mann, wenn er schleichend oder erdrutschartig immer weiblicher wird?
Das ist für unsere Partnerin nicht bloß eine hypothetische Frage, sondern eine sehr reale und beängstigende. Während wir der Meinung sind, durch ein Mehr an Selbstverwirklichung nur gewinnen zu können, droht unseren Frauen realer Verlust.
Diese Verlustangst unserer Partnerin wird teilweise von uns selbst nicht ernst genommen, weil uns selbst es schwerfällt, den Mann, der wir für sie nun mal sind, in seiner Rolle zu wertschätzen. Sie liebt uns in dieser männlichen Rolle immerhin so sehr, dass sie uns geheiratet hat bzw. eine dauerhafte Beziehung mit uns eingegangen ist. Sie wollte uns nicht als die zweite Mutter, sondern als den Vater ihrer Kinder. Bloß weil wir diese Rolle nicht wertschätzen und eventuell auch immer weniger ertragen können, heißt das nicht, dass das unsere Partnerin ähnlich sehen kann.
Dass sie es nicht ändern können, bzw. dass sie vielleicht nie gehabt haben, was sie meinten, ist kein wirklicher Trost.
Rolle „Mann und Partner“
„Ich kann doch wohl anziehen was ich will! Ich bleibe doch immer noch ich!“ ist eine der härteren Positionen, die ein transidenter Mann gegenüber seiner Partnerin einnehmen könnte.
Gut, das sagt so gut wie keiner, dem nicht die Beziehung zu seiner Frau nicht schon komplett egal ist.
Doch, die Frau hat schon ein Recht darauf, dass man die Rolle ausfüllt, die man ihr damals versprochen hat. Vielleicht nicht ungebrochen, aber doch so gut es geht.
Beste Freundin?
„Ich wäre doch so gerne auch deine Freundin!“ Viele transidente Männer haben diesen Satz schon zu ihrer Frau gesagt und sind zu ihrer Verblüffung auf wenig Gegenliebe gestoßen.
Mir ist lange nicht klar gewesen, wo denn das Problem liegt, wenn ich meiner Frau angeboten habe, ich könnte doch „auch ihre Freundin“ sein.
Freundinnen sucht man sich als Frau nach anderen Kriterien aus als Ehemänner. Das klingt zwar trivial, ist aber in unserer speziellen Situation wichtig.
Ich musste erst selbst „Mädelsfreundinnen“ haben, um zu kapieren, dass die Funktionen, die eine Freundin für eine Frau erfüllt, nicht bloß vollkommen andere sind, als die des Mannes (na klar, sonst hätte sie ja gleich ihre beste Freundin geheiratet!), sondern dass diese nicht gut in einer Person zusammen passen. Irgendwo muss man ja schließlich auch eine verständnisvolle Zuhörerin finden, wenn man vom Partner total genervt ist.
Nicht, dass Frauen es nicht zu schätzen wüssten, wenn ihre Interessen vom Partner geteilt werden. Natürlich ist es nett für eine Frau, wenn sie sich mit ihrem Mann kompetent über Modefragen unterhalten kann. Doch der Job der Einkaufsberaterin ist bei vielen Frauen schon vergeben … und sehen wir es realistisch: Es ist viel leichter jemanden zu finden, mit dem man nett shoppen gehen kann, als jemanden der einen Abfluss reparieren oder beim Auto die Winterreifen wechseln kann.
Scham
Von unserer Besonderheit befürchten unsere Partnerinnen ganz konkret eine nachhaltige Beeinträchtigung des eigenen Lebens.
„Was werden die Nachbarn sagen, wenn sie das mitkriegen?“
„Was denken unsere Kinder von ihrem Vater?“
„Wird mein Mann zum Stadtgespräch und in Folge vielleicht seinen Job und wir unsere Existenz verlieren?“
Diese und viele andere Fragen nicht zu der Transidentität selbst, sondern vor allem zu den sozialen Nebenwirkungen eines offenen Umgangs mit diesem Thema bewegen nicht nur uns, sondern auch unsere Partner/innen. Der Wechsel der Geschlechtsrolle hat zumindest die Anmutung des Anrüchigen. Selbst den wohlmeinenden Partnerinnen fällt es schwer, die Assoziation mit dem Begriff „Perversion“ zu vermeiden (und im Streit wird das Wort auch schon mal gegenüber dem Partner als Waffe verwendet). Da ist die Angst vor dem Getuschel beim Bäcker oder in der Kirche nicht unverständlich. „Schau nur, die Arme! Ihr Mann verkleidet sich als Frau…“
In einem Zeit-Artikel über die Mutter eines schizophrenen Jungen habe ich folgende Passage gelesen:
„In dem kleinen fränkischen Ort, in dem sie mit ihrem Mann lebt, glauben die Leute, ihr Sohn habe Probleme mit Drogen. »Das ist auch besser so. Die Wahrheit können und wollen die Leute nicht verstehen«, sagt Barbara B. »Die zucken zusammen, man hat so was nicht zu haben, es ist ein Makel.«“
Wäre es auch bei Transidentität besser, dass die Leute glauben, man nimmt Drogen oder würde das Familieneinkommen in Spielhallen verzocken? Ist es besser zu sagen „Mein Mann hat ein Suchtproblem!“ als zu sagen „Mein Mann lebt seine weiblichen Aspekte aus.“?
Enttäuschung – Wer bin ich und wie verläuft mein Leben?
Natürlich werden sich nicht alle Vorstellungen, die wir von unserer Zukunft haben auch so verwirklichen. Aber wenn sogar die Rahmenbedingungen der Zukunft in Frage gestellt werden, dann ist das schon ein schwer verdaulicher Bissen. Und die Frage, ob ich mit einem Mann oder einer Frau zusammenlebe, ist sicherlich eine der grundsätzlicheren.
Die Frau, mit der wir zusammenleben, hat sich wahrscheinlich (es sei denn wir haben ihr von Anfang an nicht nur gesagt, was mit uns los ist, sondern auch wo es enden kann) bewusst für ein traditionales Beziehungsmuster entschieden. Ein heterosexuelles, in dem sie den weiblichen Part hat und ein männlicher Gegenpart existiert.
Es hat schon etwas von Vertragsbruch, wenn irgendwann in einer unverdächtigen Mann-Frau-Paarbeziehung plötzlich die Geschlechtsidentität eines Teils in Frage steht. Mit dem Eheversprechen (um an die bekannte Eheformel anzuknüpfen) verbinden sich heterosexuelle Paare nun mal als Mann und Frau. Und dann will der Teil, der versprochen hat, der Mann zu sein, es plötzlich nicht mehr sein…
Jetzt mag es dahinstehen, ob der Mann gelogen hat, als er versprochen hat ein Mann zu sein oder ob er es trotz guten Willens inzwischen einfach nicht mehr schafft, zumindest nur Mann zu sein. Entweder mit einem plötzlichen Schock oder als Ergebnis eines langen Prozesses muss sich die Frau dieser Einsicht stellen. Er ist weg. Und stattdessen ist da diese komische Frau, die du nie geheiratet hast und mit der du auch nie eine Partnerschaft eingegangen wärst! Und dann verlangt sie noch, du müsstest Verständnis dafür haben und wehrt sich, wenn du deinen Mann zurück verlangst!
Die berechtigten und ggf. durch Versprechen besiegelten Erwartungen der Frau an ein rollenkonformes Verhalten ihres Mannes werden angetastet, wenn er darauf besteht in der einen oder anderen Form und Intensität die weibliche Rolle alternativ oder ergänzend zu leben.
Verunsicherung – Begehren und begehrt werden
In einer Partnerschaft geht es nicht nur darum, sein Leben möglichst praktisch zu gestalten, sondern da sind auch sexuelle Bedürfnisse.
Es ist auf verschiedene Weise verunsichernd, wenn der Partner seine Geschlechtsrolle dauerhaft oder temporär ändert.
Bin ich etwa lesbisch?
Wenn der Mann plötzlich weiblich wird und ich ihn weiter liebe, bin ich dann lesbisch?
Diese Frage stellen sich so oder ähnlich wahrscheinlich viele Frauen, die damit umgehen müssen, dass ihr Partner seine weibliche Seite auslebt. Festzustellen, dass der geliebte Mann sich mehr und mehr in eine Frau verwandelt, bzw. als solche gesehen werden möchte, ist für viele heterosexuell orientierte Frauen ein unangenehmer Gedanke. Wenn ich auf Männer stehe, dann möchte ich natürlich auch einen Mann im Bett haben.
Konkurrenz?
„Bin ich ihm etwa nicht weiblich genug?“ ist eine weitere Frage, die sich Frauen aufdrängt, wenn sie ihren Partner in weiblicher Rolle sehen. „Wenn ich ihm genug Frau wäre, dann bräuchte er ja keine weitere Weiblichkeit in sich selbst zu suchen.“
Wer jemals eine Partygesellschaft von Trannies gesehen hat, der weiß, dass wir eine gewisse Neigung zur Übererfüllung weiblicher Stereotype haben. Das kann man mit Unsicherheit und Überkompensation erklären, es kann aber auch damit zu tun haben, dass die sexuell an Frauen Interessierten von uns ihre Idealvorstellung von Frauen nach außen präsentieren.
Unser Aussehen kann durchaus auch damit erklärt werden, dass wir versuchen, selber die Art von Frau zu sein, die wir sexuell attraktiv finden. Und wenn das so ist, dann wäre diese Frauenfigur nicht nur so etwas wie eine Konkurrentin für die Partnerin. Nein, sie wäre sogar eine Kritikerin, die der Frau ohne Worte sagt: Schau, wie du dich stylen müsstest, damit du für deinen Mann begehrenswert bist! Die Frau, in die sich der Partner verwandelt, ist so etwas wie eine unheimliche Geliebte, mit der sie nicht siegreich konkurrieren kann. Sie ist eventuell tatsächlich seine Traumfrau!
Es geht mir nicht darum zu behaupten, dass solche Überlegungen tatsächlich realistisch die Motivlage des transidenten Menschen wiedergeben. Wahrscheinlich stimmen sie in der Mehrheit der Fälle eher nicht. Aber es ist naheliegend, dass die Partnerin solche Überlegungen anstellt.
Und dann gibt es, jenseits aller Themen der Moral und der Selbstverwirklichung noch die ganz handfesten Fragen des alltäglichen Lebens.
finanziell
Zur Ehre der Frauen kann ich sagen, dass ich von keiner meiner Bekannten jemals gehört habe, dass dieser Aspekt von der Partnerin zum Beschwerdepunkt gemacht wurde. Und das, obwohl sicher viele kein Geld zu verschleudern haben und Frausein ein echter „Materialsport“ ist! Kleidung, Schuhe (zudem häufig in teuren Übergrößen), Makeup, Kosmetikerin, Reisen, Brustprothesen, Perücken … Da kommt einiges zusammen. Wie gesagt, die Frauen beschweren sich nicht. Doch Geld, das für eine 500 € teure Perücke ausgegeben wurde, steht nun mal nicht mehr zum Kauf eines neuen Schlafzimmerschrankes zur Verfügung.
zeitlich
Egal ob in Form realer Abwesenheiten oder in Form von Zeit, die in Internetforen verbracht wird. Zeit, in der der Gatte weiblich unterwegs ist, geht auf Kosten der Familie. Die Zeit im Job bleibt unangetastet, ein Mindestmaß an Schlaf muss auch sein, also wird die Zeit beim Familienleben abgeknappst.
kräftemäßig
Eine transidente Person in der Familie haben ist anstrengend.
Wenn manche Frauen genervt sind von der Auto- oder Fußballmacke ihres Liebsten, dann sollten sie sich eventuell man mit der Frau eines Transgenders unterhalten.
Das muss man für sich selbst erst mal hinkriegen, dieses Thema in das Familienleben zu integrieren.
Einen Aspekt dieser Probleme finde ich mit der Bezeichnung „Der Druck des schönen Scheins“, die ich neulich gelesen habe, gut wieder gegeben. Niemand will eine Thematik, die (s. eben) mit Scham verbunden ist, gerne im weiteren Bekanntenkreis debattiert haben.
Folglich ist da ein Geheimnis in der Familie. Geheimnisse sind anstrengend. Man muss sich konzentrieren, was man wem sagt. Man muss aufpassen, dass das Geheimnis gewahrt bleibt. Manchmal muss man sogar lügen, um es zu schützen.
Zwischenstand
Eines sollte jetzt klar sein: Sie hat gute und nachvollziehbare Gründe, die Frau, die da plötzlich unerwartet in der Familie aufgetaucht ist, nicht besonders zu mögen. Sie macht ihr Leben schwieriger, sie bringt Probleme!
Und die lassen sich nicht mit einem schlichten Hinweis auf notwendige Selbstverwirklichung beiseite wischen.
2. Teil: Was kann man tun?
Man kann es drehen und wenden, wie man will, wir haben es hier mit einem knallharten Interessenkonflikt zu tun. Und der lässt sich nicht einfach mit der Feststellung, dass die eine Seite im Recht ist und die andere Seite im Unrecht, vom Tisch wischen. Es sollte deutlich geworden sein, dass jede der beiden Seiten ihre Berechtigung hat.
Jeder Mensch hat nur ein Leben und in diesem versucht er glücklich zu werden. Beide Parteien haben ein Recht auf Selbstverwirklichung.
Trennung
Viele Beziehungen scheitern an der Aufgabe, ein für beide Parteien tragfähiges, gemeinsames Lebenskonzept unter Berücksichtigung der Transidentität zu finden. Trennung ist tatsächlich eine häufig gewählte Lösung.
Manchmal ist es unmöglich, die Transidentität eines Partners in die Beziehung zu integrieren. Manche Paare bleiben als Zweckbündnis noch so lange zusammen, bis die Kinder „aus dem Gröbsten raus“ sind oder so lange es halt irgendwie erträglich ist.
Das muss nicht falsch sein. Die Trennung kann eine für beide Beteiligten befreiende und befriedigende Lösung sein. Allerdings nur dann, wenn die beiden sich nicht mehr lieben.
Das ist ein wichtiger Punkt! Ich glaube nämlich nicht daran, dass Transidentität allein eine funktionierende Liebesbeziehung zerstören kann! Sie kann jedoch die Belastungsprobe sein, der das bereits strapazierte und ausgeleierte Band der Liebe nicht mehr standhalten kann.
Doch wenn die Partner sich noch lieben, dann ist Trennung keine Option. Sie mag manchmal, wenn der Schmerz zu groß ist, verlockend erscheinen und vielleicht ist sie auch ein Drohmittel in streitigen Auseinandersetzungen, doch wenn da noch Liebe ist, wenn die andere Person immer noch wichtig ist, dann wird man ohne sie nicht glücklich werden, auch wenn es sehr schwer erscheint. mit ihr glücklich zu werden.
Grenzen setzen
Der falsche (!, s. dazu den Artikel Mehr oder weniger) Eindruck, mit jedem Zugeständnis an die Neigung des Partners, würde diese noch mehr Raum verlangen, führt verschiedentlich in Beziehungen zu dem Versuch, einseitig Einschränkungen vorzugeben. Welche verschiedenen Grenzziehungen es gibt, hat Shirley Anne in ihrem Levelartikel sehr gut beschrieben.
Die Druckmittel reichen von „Du willst doch auch nicht, dass … über „Wenn du mich liebst …“ bis hin zu ernst gemeinten Trennungsdrohungen.
Das funktioniert in vielen Fällen und für viel Zeit übrigens recht gut, zumindest wenn man die Gefühlslage des gemaßregelten Teils außer Betracht lässt.
Die Motivation dahinter ist häufig nicht mal ehrenrührig. Die Frau will eventuell bloß und vor allem ihrem Partner helfen, ein Verhalten, das sie für problematisch, wenn nicht sogar für gefährlich hält, im Griff zu behalten. Es ist die Rolle, die sie auch einnehmen würde, wenn der Partner ein Alkoholproblem hätte. Dem bietet man schließlich auch nicht an, ihm mehr Schnaps zu besorgen und man verführt ihn auch nicht zum Trinken, wenn er eine trockene Phase hat. Nein, man stärkt seine Motivation trocken zu bleiben.
Wenn unsere Besonderheit eine Sucht wäre, dann wäre Grenzen setzen vielleicht die richtige Maßnahme. Sie ist aber keine (Siehe Bin ich krank). Es handelt sich auch nicht um eine Geisteskrankheit. Deshalb ist es nicht angemessen, die Partnerschaftlichkeit bei diesem Thema aufzugeben und den anderen wie einen Kranken oder ein Kleinkind zu behandeln. Ich gestehe zu, es mag funktionieren, aber eine Lösung ist es nicht. Denn der Druck, den solches Vorgehen auf den betroffenen Teil macht, der bleibt irgendwo. Zu den negativen Auswirkungen habe ich an anderer Stelle (s. Im Versteck) ausführlicher geschrieben.
Die einzige Brücke
… über die die Partner zusammenfinden können ist das Gespräch. Reden, reden, reden. Lange, ernsthaft und immer wieder.
Jeder Mensch und ebenso jede Paarbeziehung einmalig. Interessen, Pflichten, Emotionen bilden jeweils einen einmaligen Mix. Deshalb gibt es keine Patentlösung. Es gibt keinen „Idealvortrag“, den die eine oder andere Seite halten kann und schwupps hat der andere Partner Verständnis und lenkt ein.
Miteinander im Gespräch bleiben. Das sagt sich so leicht. Doch es ist gerade in Beziehungen besonders schwer, weil es ja nicht bloß um die Lösung von Sachproblemen geht, sondern zwangsläufig jede Menge verschiedener Emotionen mit im Spiel sind. Wut, Freude, Begehren, Enttäuschung, Frustration, Hoffnung, Liebe …. Das alles macht ein Gespräch über die Transidentität zu etwas, das man tendenziell eher meidet. Vermutlich sind sogar Gespräche über die Üblichen Problemthemen Finanzen, Kindererziehung oder „Holen wir Mutter zu uns?“ noch einfacher als dieses Thema. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Weh tun wird, dass Ängste und andere Emotionen hochkochen ist enorm. Deshalb entscheiden sich viele auch für das Schweigen. Ich habe für manche Themen Monate gebraucht, bis ich mich getraut habe, sie bei meiner Frau anzusprechen. Und bei einigen hat es Jahre gedauert, bis wir sie einvernehmlich gelöst hatten.
Schweigen ist verlockend. Mal passt die Situation sowieso nicht, mal will man eine gute Stimmung nicht mit einem potentiell konfliktbeladenen Gespräch stören.
Trotzdem: wenn (und das ist die überzeugende Begründung, weshalb man sich den Stress antun sollte) die Beziehung gerettet werden soll, bzw die Gesundheit der Partner, dann müsst ihr das Schweigen überwinden und miteinander ins Gespräch kommen.
Das ist das Ziel: wir reden miteinander, um unsere Beziehung und unsere Liebe zu retten!
Regeln für erfolgreiche Gespräche
Ihr wollt miteinander reden.
Vielleicht habt ihr bei Gesprächen in der Vergangenheit bemerkt, dass schnell die Emotionen die Oberhand gewonnen haben und aus einem zielorientierten Gespräch ein belastender Streit wurde. Das muss nicht sein.
Es gibt Regeln, die euch helfen, das Gespräch konstruktiv zu führen.
Mehrfach habe ich schon den Begriff Interesse erwähnt. Nicht ohne Grund, denn dieser Begriff ist der Schlüssel zu konstruktiven Gesprächen, die für beide Partner zu Verbesserungen führen können.
Voraussetzungen sind lediglich das Interesse an einer Vereinbarung und die Bereitschaft, Zugeständnisse zu machen.
1. Unterscheidet zwischen Mensch und Problem
Grundvoraussetzung eines zielführenden Gespräches ist es, die Menschen und ihre Interessen (die Sachfragen) getrennt voneinander zu behandeln. Leider ist es gerade in emotionalen Situationen besonders schwer, die Beziehungsebene von der Sachebene getrennt zu halten. Gerade weil es um Gespräche in einer Beziehung geht, ist es wichtig in Erinnerung zu behalten, dass der Verhandlungspartner ein Mensch ist, der Emotionen hat. Er ist nicht selbst das Problem, sondern jemand, der dir helfen kann es zu lösen.
Menschen haben Gefühle.
Es ist wichtig, das Vorhandensein und die Wichtigkeit von Gefühlen anzuerkennen. Sie sind da und man muss mit ihnen umgehen. Man kann nicht über die Sache reden, ehe man nicht den Gefühlen Platz gelassen hat. Es ist daher unumgänglich, den Gefühlen Raum zu geben. Dazu gehört auch, der anderen Seite die Möglichkeit zu geben Dampf abzulassen.
Ehe man nicht die eigenen Gefühle und die Gefühle der Gegenseite erkannt und verstanden hat, ist keine zielführende Verhandlung möglich.
Auch wenn es euch schwer fällt: Versetzt euch in die Lage des jeweils anderen.
Es mag sein, dass du dir deine Meinung längst gebildet hast und meinst, du wüsstest ganz genau, wie der andere tickt. Doch das sind Vorurteile. Wenn du sicher bist, dass sie stimmen, riskierst du nichts, wenn du sie auf die Probe stellst. Wir neigen nämlich dazu, die Absichten der anderen von unseren eigenen Ängsten abzuleiten und anderen unser eigenes Problem zum Vorwurf zu machen. Deshalb ist es wichtig, die jeweils anderen Sichtweisen zu diskutieren.
Übrigens: Auch die andere Seite hat ihre Vorurteile über dich! Deshalb kann es sinnvoll sein, die Verhaltenserwartungen der Gegenseite zu durchbrechen und den anderen zu verblüffen.
Noch ein paar ganz allgemeine, vielleicht auch triviale Hinweise zur Kommunikation:
- Rede verständlich
- Sprich von dir (Ich-Botschaften)
- Höre aktiv zu und anerkenne was gesagt wurde
- Schau nach vorne und nicht zurück.
- Sei konkret und flexibel.
- Sei hart in der Sache und sanft zu den Menschen.
- Setze niemanden unter Druck.
Aber was tun, wenn die Situation schon eskaliert ist? Sprichwörtlich ist nicht nur im Krieg, sondern auch in der Liebe alles erlaubt. Deshalb ist gerade in Partnergesprächen, die Versuchung groß, unter die Gürtellinie zu schlagen. Wenn das passiert, ist es wichtig, dass ihr wieder zu einer sachorientierten Gesprächsführung zurückfindet.
Achtung: man kann so etwas nicht einfach ignorieren und weitermachen, als wäre nichts gewesen! Unfaire Angriffe sind Störungen, die man bearbeiten muss. Folgendes müsst ihr tun:
- Sprecht faule Tricks und unfaire Tiefschläge sofort an.
- Geht nicht zum Gegenangriff über, sondern gebt eure Betroffenheit durch den Angriff des anderen mit einer Ich-Botschaft zu erkennen.
- Macht in der Sache weiter, wenn die Beziehungsebene wieder in Ordnung ist.
- Falls das nicht klappt, beendet das Gespräch, bis die Gemüter wieder abgekühlt sind.
Wichtiger Hinweis:
Speziell die letzten Punkte sind am Anfang, wenn die Emotionen extrem hochbranden, nicht ohne fremde Hilfe zu bewältigen. Das kann man erst, wenn man schon eine Weile miteinander im Gespräch ist. Gerade am Anfang ist die Gefahr riesig, dass das Gespräch aus dem Ruder läuft und es zu schlimmen Verletzungen kommt. Und je wichtiger einem der Partner ist, um so schlimmer fallen diese aus, weil die Emotionen größer sind. Sucht euch bitte professionelle Hilfe! Wohlgemerkt PROFESSIONELL! Niemanden der Partei ist! Es braucht niemand sein, der „Ahnung“ von dem Thema hat. Wichtig ist vielmehr, dass es jemand ist, der Ahnung von Kommunikationsprozessen hat und sie begleiten kann. Coaches können das, Mediator*innen, Therapeut*innen.
Speziell dann, wenn ihr schon einige schiefgelaufene Gesprächsversuche hinter euch habt, solltet ihr diesen Hinweis beherzigen. Dass ihr zu zweit nicht weiter kommt und euch immer wieder verletzt, bedeutet nicht, dass es keine Lösung gibt, sondern bloß, dass ihr euch Hilfe suchen müsst.
2. Redet über eure Interessen, nicht die Positionen
Viele Gespräche zwischen Partnern über streitige Themen werden schnell zu Stellungskriegen, in denen es bald nur noch darum geht, die andere Seite zu verletzen, jedoch nicht mehr um Lösungen.
„Ich will das nicht sehen!“, „Ich kann machen, was ich will, es ist schließlich mein Leben!“, „Nicht vor den Kindern!“ oder „Meine Eltern/die Nachbarn dürfen es nicht erfahren“ sind typische Beispiele für Positionen.
Die Benutzung eines anderen Wortes für den Begriff „Position“ macht vielleicht deutlicher, wo das Problem liegt. Das deutsche Wort für Position ist Standpunkt. Das kann man sich ganz bildhaft als den Ort vorstellen, an dem sich jemand befindet. Das ist so. Punkt. Ein Standpunkt ist nicht verhandelbar. Über Positionen kann man nur streiten. Denn sie sind zwangsläufig unterschiedlich.
Wenn aber die Überzeugungen/Standpunkte/Meinungen nicht der Verhandlungsgegenstand sind, was dann? Es sind die Gründe, warum wir an einer bestimmten Stelle stehen, über die wir reden müssen. Jede Position beruht auf bestimmten Interessen oder Bedürfnissen. Wir stehen an einer bestimmten Stelle nicht aus einer Laune heraus, sondern weil dies unseren Interessen entspricht. Letztendlich ist die Wahrung unserer Interessen das Ziel des Gespräches. Jeder Verhandlungspartner versucht seinen Interessen und Bedürfnissen gerecht zu werden. Deshalb ist es sinnlos, zu versuchen die Position zu verändern, denn die wird er bzw. sie selbst verändern, wenn dies ihren Interessen entgegenkommt.
Das ist wirklich ein großer Unterschied. Denn die Standpunkte sind zwangsläufig unterschiedlich, aber die Interessen sind es nicht unbedingt. Hinter unterschiedlichen Positionen liegen ebenso geteilte Interessen, miteinander vereinbare Interessen wie konflikthafte. Bei den Interessen gibt es also viel mehr Möglichkeiten, sie in Übereinstimmung zu bringen.
Zuerst muss man anerkennen, dass jede Seite verschiedenartige Interessen hat. Die Interessen der anderen Partei sind ebenso Teil des Problems wie die eigenen.
Die stärksten Interessen sind die menschlichen Grundbedürfnisse. Weitere starke Interessen sind z.B. Sicherheit (ökonomisches Wohlergehen), Zugehörigkeitsgefühl und Kontrolle über das eigene Leben.
3. Sucht nach Chancen für gegenseitigen Vorteil
Die Chancen für ein gutes Ergebnis eures Gesprächs sind umso größer, je kreativer und flexibler ihr seid. Sucht nach neuen Möglichkeiten, die den Bedürfnissen von euch beiden gerecht werden.
Die Lösungssuche scheitert sehr oft dran, dass die Optionen zu eng gefasst werden. Doch wer sagt, dass das so sein muss? Versteift euch nicht darauf, dass es nur einen festgelegten Kuchen bzw. nur eine mögliche Antwort gibt.
Bei der Frage, wie man Crossdressing in die Beziehung integrieren kann, kann man z.B. durchaus auch über eine Neuverteilung der häuslichen Arbeitspflichten reden.
Methodisch ist es sinnvoll, die Lösungssuche von der Entscheidung zu trennen. Ein bewährtes Mittel ist hier das Brainstorming. Die offene Suche nach möglichen Lösungen, ohne diese direkt zu bewerten.
Es ist übrigens sehr wichtig, dass jede der beiden Parteien ihr Gesicht wahren kann. Manchmal werden Lösungsoptionen nicht wegen ihres Inhalts abgelehnt, sondern wegen der Argumente, mit denen sie verbunden werden. Deshalb solltet ihr darauf achten, eure Vorschläge für die Werthaltungen eures Partners oder eurer Partnerin akzeptabel zu machen.
4. Trefft eine vernünftige Vereinbarung
Allerdings: Nett sein und nachgeben ist keine Lösung, sondern bloß die Vertagung des Problems.
Nur, wenn ihr beide eure zentralen Interessen wahren könnt, habt ihr einen Vorteil von der Vereinbarung. Deshalb ist es wichtig, gemeinsame Interessen zu erkennen und sich auf beiderseitige Vorteile zu konzentrieren.
Es ist sinnlos schlechte Übereinkünfte zu treffen. Nur wenn die Übereinkunft besser ist, als weiterzumachen wie bisher, ist sie attraktiv und hat Chancen, dauerhaft tragfähig zu sein.
Abschließend
Was ich eben erklärt habe, war reichlich kompliziert. Das zugrundeliegende Konzept wurde für die Bearbeitung von Konflikten entwickelt, in denen es um schwierige Fragen geht und häufig um viel Geld. Seine Stärke ist es, sogar verfeindete Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen.
Weil es so wichtig ist, wiederhole ich nochmals meinen Hinweis:
Eventuell seid ihr überfordert damit, gleichzeitig eure Interessen zu vertreten und die Regeln für ein konstruktives Gespräch zu beachten. Das wäre nicht ungewöhnlich. Wenn eure Gespräche trotz guten Willens nicht zu guten Ergebnissen führen, dann solltet ihr darüber nachdenken, einen Schiedsrichter hinzuzuziehen. Einen unabhängigen Dritten, der darauf achtet, dass ihr die Regeln einhaltet und zu Ergebnissen kommt. Die Fachleute für dieses Gesprächskonzept heißen Mediatoren. Die Einschaltung eines Mediators könnte eine interessante Alternative zu der oft in Anspruch genommenen Paartherapie sein.
Die Gesprächstechnik ist kein Wundermittel. Die Verhandlungen brauchen Zeit! Menschen brauchen Zeit, sich an bestimmte Situationen zu gewöhnen. Man kann Akzeptanz nicht einfach anschalten. Ebenso wenig, wie wir uns von einem Ort an einen weit entfernten anderen versetzen können. Wir müssen dort hin gehen. So schnell oder langsam wie wir können. Für die Veränderung von Standpunkten gibt es keine Transportmittel.
Also lasst euch Zeit. Solange ihr miteinander redet, gibt es noch eine Chance für eure Beziehung.
Dank
Diesen Artikel verdanke ich meiner geliebten Frau. Wem sonst?
Ich danke ihr dafür, dass sie mich liebt, obwohl sie irgendwann feststellen musste, dass ich anders bin als sie glaubte.
Ich danke ihr für dafür, dass sie den anstrengenden Weg mit mir bis hier hin gegangen ist. Insbesondere für die vielen langen und schweren Gespräche,die es gebraucht hat, um gemeinsam hierher zu kommen.
Und ich danke ihr für die kritische und konstruktive Unterstützung bei diesem Artikel.
Querverweise
© Jula 2008