Zweite Auflage, Oktober 1997. Verfasst von der Looking Glass Society, Großbritannien, übersetzt von Clara.
Einleitung
Dieses Dokument ist eine Sammlung praktischer Selbsthilfe-Vorschläge und -Ideen für die Verweiblichung der Stimme, entwickelt von einer Gruppe von Mann-zu-Frau-Transsexuellen in der Looking Glass Society.
Weder Hormone noch eine genitale Operation werden den männlichen Stimmbruch rückgängig machen, und eine stimmändernde Operation gilt häufig als nicht ratsam, außer höchstens als Teillösung. Folglich ist ein Sprachtraining notwendig, um eine zufrieden stellende ›weibliche‹ Stimme zu erzeugen.
Es scheint zunächst schwer zu sein, sich auf all die verschiedenen Aspekte der weiblichen Stimmerzeugung zu konzentrieren, und es werden Fehler passieren. Die einzige Lösung heißt üben und wieder üben, bis es allmählich zur zweiten Natur wird.
Die Methoden
- Singe!
Um den Kehlkopf zu lockern, deinen Stimmumfang zu erweitern und dir eine gute Kontrolle zu erschließen, kann es sehr hilfreich sein, dass du dir eine weibliche Sängerin aussuchst, die du magst – vorzugsweise eine mit einer relativ tiefen Stimme – und mitsingst. Wer musikalisch ist, kann auch Singübungen durchführen, etwa Tonleitern singen. - Hebe die Position des Kehlkopfknorpels an:
hebe deine Stimmhöhe an und vermindere die charakteristische männliche Resonanz. Der Kehlkopfknorpel ist das ›bewegliche‹ Stück Knorpel, das du steigen fühlen kannst, wenn du eine Hand auf deinen Hals legst und eine ansteigende Tonleiter singst, (»doh, re, mi, fa, sol, lah, ti, doh«). Das Ziel ist hier, ein höheres ›Ausgangsniveau‹ als dein bisher verwendetes zu erreichen, und dann die Tonhöhe bei Betonungen weiter zu steigern.
Zum Beispiel könntest du entscheiden, dass, wenn du das »doh« als deine Ausgangstonhöhe anstimmst, es genügen würde, deine Tonhöhe bis zu »fa« oder »sol« zu steigern. Aber übertreibe die Tonerhöhung nicht: eine quietschende Fistelstimme klingt sehr unpassend für eine erwachsene Frau. Die Anpassung der Tonhöhe ist ein Kompromiss – für die Technikgesonnenen: Du solltest auf über 160 Hertz abzielen; wenn du Zugang zu einem Musikinstrument hast, ist es das G unterhalb des mittleren C.
Natürlich beginnt jeder mit einer anderen Originalstimme, und einige werden sie mehr als andere anheben können, ohne quietschend zu klingen. Für deinen Kehlkopf könnte das zunächst etwas ermüdend sein, da du nicht daran gewöhnt bist, in diesem Bereich zu sprechen, aber mit etwas Übung sollte es komfortabel werden. Wenn nicht, versuchst du wahrscheinlich, eine zu hohe Tonhöhe zu erzwingen. - Wenn Du sprichst, öffne die Stimmlippen teilweise:
Die Position der Stimmlippen kontrolliert, wie viel Luft über die Stimmbänder geht. Wenn du eher ausatmest als zu sprechen, wenn du flüsterst, oder wenn du ein ›stimmloses‹ Geräusch machst (bei dem die Stimmbänder nicht wie bei ›hhh‹ oder ›sss‹ vibrieren), sind die Stimmlippen vollständig offen, und die Luft strömt vollständig um die Stimmbänder. Bei fest geschlossenen Stimmlippen wird die ganze Luft über die Stimmbänder gezwungen und produziert ein stimmhaftes und normalerweise männlich klingendes Geräusch. Du musst versuchen, eine ›halbflüsternde‹ Stellung zu finden, die das stimmhafte Geräusch mit starker Resonanz im Brustkasten ausschaltet und der Stimme eine rauchige Qualität vermittelt.
Du kannst den Unterschied zwischen stimmhaften und stimmlosen Geräuschen durch Vergleich des harten, stimmlosen S in »Kuss« und des weichen, stimmhaften S in »Hase« hören (Sag ein stimmhaftes »sss« und ein stimmlos »sss« und spüre, wie deine Stimmbänder einmal vibrieren und einmal nicht.) Versuche, einen Mittelpunkt zwischen einem stimmlosen (zugeflüsterten) Geräusch und einem stimmhaften ›männlichen‹ Geräusch zu finden.
Versuche, das Wort ›Heu‹ zu sagen, und gibt acht, wie du dich zwischen dem stimmlosen H und dem stimmhaften A änderst: sage es sehr langsam (›Hhhhheeeeu‹) und spüre die Veränderung in den Stimmbändern, wenn deine Stimme vom stimmlosen ›hhh‹ zum stimmhaften Vokallaut ›eee‹ gleitet. Dann versuche aufzuhören, bevor du den stimmhaften Punkt erreichst, und du solltest ein weiches, rauchiges (feminines) ›eee‹ hervorbringen.
Dann versuche zu lernen, diese halboffene Position immer für alle stimmhaften Töne zu verwenden. Dies ist einfach eine Frage der Übung. - Betone, indem Du die Stimme anhebst, nicht indem Du lauter wirst:
Die aufwärts gerichtete Intonation betont. Männer betonen im Sprechen durch Variieren der Lautstärke, während sie ihre Tonhöhe innerhalb eines sehr engen Bereichs halten; Frauen neigen andererseits dazu, ihre Lautstärke viel mehr konstant zu halten, variieren ihre Tonhöhe aber um vieles mehr, um Betonung auszudrücken. - Sprich langsam und deutlich:
Insbesondere Konsonanten am Anfang und am Ende von Wörtern. Murmele nicht vor dich hin; eine klare Stimme erfordert ziemlich große Lippenbewegungen. Im Allgemeinen artikulieren Frauen viel eindeutiger und genauer als Männer. - Schreite sorgfältig durch deine Rede:
Starte und beende Sätze langsam und sanft; klinge nicht abgeschnitten. »Verschlucke« keine Fürwörter, Artikel oder andere ›kleine Worte‹ an den Anfängen oder Enden von Sätzen. Männliches Sprechen neigt dazu, durch etwas gekennzeichnet zu sein, was Sprachtherapeuten einen ›harten Angriff‹ nennen – die erste Silbe wird sehr hart und schnell ausgesprochen. Frauen starten einen Satz normalerweise sanfter. - Verwende einen angemessenen Inhalt:
Männer und Frauen tendieren dazu, über dieselben Dinge auf verschiedene Art und Weise zu reden; was du sagst, enthält ebenso viele Hinweise auf das Geschlecht wie die Art und Weise, wie du etwas sagst. Männer verwenden im Allgemeinen auch mehr Abkürzungen, umgangssprachliche Ausdrücke und auch schlechte Sprache.
Eine einfache Veranschaulichung ist sich vorzustellen, dass jemand einen Freund fragt, ob sie nach der Arbeit einen trinken gehen. Ein Mann könnte etwas sagen wie ›Kommst Du mit runter in die Kneipe‹?: ziemlich abrupt, die Wörter auf ein Minmum reduziert und auf die gewünschte Handlung in ziemlich unpersönlicher Weise konzentriert. Eine Frau könnte sagen ›Ist dir danach, heute abend einen trinken zu gehen‹?: konzentriert auf die Gefühle und Wünsche ihres Freunds, persönlich, und nicht abgekürzt. - Achte auf die Stellung der Zunge:
Die Zunge ist bei der Frau höher und flacher als beim Mann. Dies gibt ›Zahn-‹Laute (die die Zähne einschließen, wie T und D) und eine weichere, rauchigere, beinahe zischende Qualität bei der Frau. Sage ›tttt‹ in der männlichen Art, dann ›ssss‹; finde die Zwischenstellung, das ist die weibliche Stellung für die Buchstaben T und D ist; ebenso für ein TH (den Laut gibt es im Deutschen nicht) usw. Verwende eine Menge Luft, um einen rauchigen Laut zu bekommen. - Halte deinen Mund in der richtigen Form:
Ein leichtes Lächeln hilft und ist sowieso der »ruhende« Gesichtsausdruck für eine Frau. ›Rundere‹ Lippen (ein leichter Schmollmund) und gute Lippenbewegung hilft, eine eindeutig artikulierte Stimme zu erzeugen. - Entwickle Kopfresonanz:
Zu lernen, wenn nötig laut zu sprechen, ohne zu einer männlich klingenden Stimme zurückzukehren, ist eines der größten Probleme für TS-Frauen, nachdem sie gelernt haben, eine weiche, feminine Stimme zu erzeugen. Frauen gewinnen Lautstärke, indem sie Hohlräume im Kopf als ›Klangkörper‹ verwenden, während Männer den Brustkasten nutzen.
Um eine lautere weibliche Stimme zu erreichen, entwickle Kopfresonanz statt Brustresonanz – öffne deinen Mund etwas mehr, verwende mehr Luft, und ›drücke‹ deine Stimme hoch in den Kopf. - Nutze Rückmeldungen:
Nimm Proben deiner Stimme auf und höre dir zu. Lies eine Textpassage, höre dir zu und übe weiter. Es kann hilfreich sein, diese Notizen wirklich laut zu lesen und jeden Punkt beim Lesen zu üben. Dann höre dir zu und verfeinere Stück für Stück deine Stimme.
Die ursprüngliche Fassung dieses Artikels in englischer Sprache findest Du unter http://www.looking-glass.greenend.org.uk/voice.htm.
Diesen Text habe ich mit freundlicher Genehmigung von Clara aus deren Genderwunderland übernommen